OGH: Zur Frage, ob für den Anspruch auf Pflegegeld neben der sich aus Art 4 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und Bosnien und Herzegowina über Soziale Sicherheit, BGBl III 2001/229 ergebenden Gleichstellung kumulativ auch einer der in § 3 Abs 2 Z 4 BPGG genannten Aufenthaltstitel vorliegen muss
Soweit ein Fremder auf Grund eines Staatsvertrages österreichischen Staatsbürgern nach § 3a Abs 2 Z 1 BPGG gleichgestellt ist, muss nicht kumulativ einer der in § 3a Abs 2 Z 4 BPGG genannten Aufenthaltstitel vorliegen
§ 3a BPGG, § 3 BPGG
GZ 10 ObS 62/18t, 17.07.2018
OGH: Nach § 3a Abs 2 BPGG werden bestimmte Personengruppen ohne österreichische Grundleistung und ohne österreichische Staatsbürgerschaft österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt, sodass sie auch ohne österreichische Staatsbürgerschaft und ohne Grundleistung Anspruch auf Bundespflegegeld haben.
Wie sich aus dem Gesetzeswortlaut des § 3a Abs 2 Z 1 BPGG ergibt, sind Fremde den österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt, insoweit sich die Gleichstellung aus einem Staatsvertrag ergibt (hier dem Abkommen zwischen der Republik Österreich und Bosnien und Herzegowina über Soziale Sicherheit, BGBl III 2001/229) oder sie über einen der in § 3a Abs 2 Z 4 lit a bis e BPGG genannten (privilegierten) Aufenthaltstitel verfügen.
Für eine Gleichstellung mit österreichischen Staatsbürgern müssen daher nach der Wortinterpretation und der logischen Auslegung die Voraussetzungen des § 3a Abs 2 Z 1 und des § 3a Abs 2 Z 4 BPGG nur alternativ („oder“) und nicht kumulativ erfüllt sein.
Dies ergibt sich auch aus den Gesetzesmaterialien, nach denen die in § 3a Abs 2 bis 4 BPGG erfassten Fälle nur jene zusätzlichen Fälle betreffen, die nicht bereits durch unmittelbar anwendbares Staatsvertragsrecht bzw Unionsrecht erfasst werden. Bei § 3a Abs 1 Z 1 BPGG handelt es sich somit gleichsam um einen Auffangtatbestand für jene Fälle, die nicht unter die Abs 2 bis 4 subsumiert werden können, aber grundsätzlich aufgrund von Staatsverträgen bzw Unionsrecht (insbesondere der VO [EG] 883/2004) gleichstellungsberechtigt sind.
Von dieser Rechtslage weicht die Rechtsansicht des Berufungsgerichts nicht ab, der Pflegegeldanspruch der – durch das zitierte Abkommen österreichischen Staatsbürgern gleichgestellten – Klägerin könne nicht an jenen zusätzlichen Voraussetzungen scheitern, die § 3a Abs 2 Z 4 BPGG an den Aufenthaltstitel von (anderen) Ausländern stellt. Dass die Klägerin nur über einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiss-Rot-Karte plus“ verfügt und über keinen der in § 3a Abs 2 Z 4 lit a–e BPGG genannten privilegierten Aufenthaltstitel, steht ihrem Anspruch auf Pflegegeld nicht entgegen.
Nach den Feststellungen hat die Klägerin ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland (§ 3 Abs 1 BPGG). Dieser ist aufgrund des ihr erteilten Aufenthaltstitels „Rot-Weiss-Rot-Karte plus“ (bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz) rechtmäßig. Sie erfüllt demnach auch die im Schrifttum für erforderlich erachtete Voraussetzung, dass auch bei nach § 3a Abs 2 Z 1 BPGG österreichischen Staatsbürgern gleichgestellten Pflegebedürftigen ein rechtmäßiger Aufenthalt gegeben sein muss.