14.08.2018 Zivilrecht

OGH: Neufestsetzung des Verteilungsschlüssels iZm Liftanlage in der Wohnungseigentumsanlage

Wohnungseigentümer von im Erdgeschoss liegenden Objekten werden zwar idR um 4/5 von der Tragung der Liftkosten dann befreit, wenn sie den Aufzug im Wesentlichen nur zum Erreichen von Gemeinschaftsräumlichkeiten im Keller nutzen können, wo der Lift einerseits allgemein nutzbare Dachterrassen und andererseits – oftmals benutzte – Coloniaräume im Kellergeschoss erschloss, wurde hingegen die Beurteilung, es lägen keine erheblichen Unterschiede in der Nutzungsmöglichkeit des Liftes vor, für jedenfalls vertretbar angesehen


Schlagworte: Wohnungseigentumsrecht, Liftanlage, Verteilungsschlüssel
Gesetze:

 

§ 32 WEG 2002

 

GZ 5 Ob 42/18i, 10.04.2018

 

OGH: § 32 Abs 5 WEG 2002 ermöglicht einem Wohnungseigentümer, bei erheblich unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeiten eine rechtsgestaltende Neufestsetzung des Aufteilungsschlüssels durch gerichtliche Entscheidung zu erlangen. Die Abänderung des Aufteilungsschlüssels für die Kosten eines Aufzugs setzt voraus, dass die objektive Nutzungsmöglichkeit für einen Wohnungseigentümer erheblich hinter der Nutzungsmöglichkeit anderer Miteigentümer zurückbleibt. Die Beurteilung der Frage, inwieweit eine Befreiung von Liftkosten gerechtfertigt ist, ist eine Ermessensentscheidung im Einzelfall, die für den OGH nur dann überprüfbar wäre, wenn im Interesse der Rechtssicherheit ein grober Fehler bei der Auslegung der anzuwendenden Rechtsnorm korrigiert werden müsste. Dies ist hier nicht der Fall.

 

Wohnungseigentümer von im Erdgeschoss liegenden Objekten werden zwar idR um 4/5 von der Tragung der Liftkosten dann befreit, wenn sie den Aufzug im Wesentlichen nur zum Erreichen von Gemeinschaftsräumlichkeiten im Keller nutzen können, wo der Lift einerseits allgemein nutzbare Dachterrassen und andererseits – oftmals benutzte – Coloniaräume im Kellergeschoss erschloss, wurde hingegen die Beurteilung, es lägen keine erheblichen Unterschiede in der Nutzungsmöglichkeit des Liftes vor, für jedenfalls vertretbar angesehen. Auch zu 5 Ob 55/15x, wo die Antragstellerin als Wohnungseigentümerin zweier im Erdgeschoss liegender Geschäftsräumlichkeiten sowie eines Garagenstellplatzes und einer Garage im ersten Untergeschoss auch Lager und Küche in diesem Untergeschoss nutzen konnte, dazu eine allgemein zugängliche Dachterrasse und weitere allgemein zugängliche Räumlichkeiten im zweiten Obergeschoss, sah der Fachsenat durch die Beurteilung, über die Lifte seien nach objektiven Kriterien nicht nur selten aufgesuchte Gemeinschaftsräumlichkeiten im Keller erreichbar, den Ermessensrahmen nicht überschritten .

 

Die Antragsteller sind Wohnungseigentümer der Wohnung Top Nr 1 und des Tiefgaragenabstellplatzes TG 1. Ihre Wohnung liegt im „Erdgeschoss“, das allerdings vom Haupteingang über ein Treppenhaus und fünf Stufen zu erreichen ist. Neben der Wohnung der Antragsteller befinden sich dort zwei weitere Wohnungen, dieses „Erdgeschoss“ ist durch einen Liftzugang erschlossen. Über dem „Erdgeschoss“ befinden sich zwei Obergeschosse mit jeweils ebenfalls drei Wohnungen und je einem Liftzugang. Auch das Kellergeschoss ist über den Lift erschlossen, im Keller befinden sich der Technikraum, eine „Waschküche“, die mit Vorrichtungen zum Abstellen von Schiern ausgestattet ist, ein Kinderwagenraum, der auch zum Abstellen von Fahrrädern genutzt wird, und die Tiefgarage mit dem Tiefgaragenabstellplatz der Antragsteller. Außer über das Kellergeschoss ist die Tiefgarage auch über einen separaten Tiefgarageneingang erreichbar.

 

Die Vorinstanzen gingen vertretbar davon aus, die objektive Nutzungsmöglichkeit des Aufzugs für die Antragsteller bleibe nicht erheblich hinter der der übrigen Miteigentümer zurück. Ein Tiefgaragenabstellplatz ist keine nach objektiven Kriterien selten aufgesuchte Gemeinschaftsräumlichkeit. Insoweit unterscheidet sich der Sachverhalt grundlegend von dem zu 5 Ob 129/14b entschiedenen Fall. Die Antragsteller haben überdies über den Zugang zum Tiefgaragenabstellplatz die Möglichkeit, den Lift vom Kellergeschoss aus – ebenso wie die Wohnungseigentümer der darüber liegenden Geschosse – dazu zu verwenden, schwere Lasten direkt in das Erdgeschoss auf die Ebene ihrer Wohnung zu transportieren, ohne die Stufen vom Haupteingang zur Wohnungstür zurücklegen zu müssen. Insoweit ist daher von einer besonderen Attraktivität der Liftnutzung auch für die Antragsteller auszugehen.

 

Der zu 5 Ob 2423/96a beurteilte Sachverhalt ist nicht vergleichbar, weil dort der Lift im Halbstock hielt, das Geschäftslokal der Antragsteller sich allerdings – im Gegensatz zum hier zu beurteilenden Fall – im Erdgeschoss befand, sodass sie eine Reihe von Stufen überwinden mussten, um ihn zu verwenden. Hier liegt der Liftzugang des „Erdgeschosses“ hingegen auf derselben Ebene wie die Wohnung der Antragsteller. Auch 5 Ob 48/12p, wo der Lift ebenso wie die Ordination des Antragstellers im Hochparterre lag, ist nicht vergleichbar. Dort wurde eine erheblich unterschiedliche Nutzungsmöglichkeit bejaht, weil der Antragsteller den Aufzug im Wesentlichen nur zum Erreichen von Geschäftsräumlichkeiten im Keller nutzen konnte, wobei auch über den Kellereingang kein barrierefreier Zugang für Patienten gewährleistet war. Über einen Tiefgaragenstellplatz verfügte der Antragsteller ebenfalls nicht.

 

Wenn die Vorinstanzen in diesem Fall eine teilweise Befreiung der Antragsteller von den Liftkosten ablehnten, bleiben sie in dem von der bisherigen Judikatur gezogenen Ermessensrahmen ohne dass es darauf ankäme, ob der Dachboden in die Wohnungseigentumsobjekte integriert ist oder nicht und ob das Haus über einen Fernwärmeanschluss oder eine Satellitenanlage am Dach verfügt.