14.08.2018 Zivilrecht

OGH: Zum Auskunftsanspruch des Drittpfandbestellers gegenüber dem Gläubiger

Der Verpflichtete hat die Rechnung so zu legen, dass der Berechtigte auf deren Grundlage seine Ansprüche bzw seine Verbindlichkeiten dem Grunde und der Höhe nach konkretisieren kann; die ordnungsgemäße Rechnungslegung umfasst demgemäß alle Angaben, die die Überprüfung der Rechnung ermöglichen; dem Drittpfandbesteller steht ganz unabhängig von einem (bevorstehenden oder bereits anhängig gemachten) Verfahren zu, vom Gläubiger die notwendigen Informationen zu verlangen, die es ihm ermöglichen, sich über den Umfang seiner Haftung klar zu werden; nur dann kann er etwa abschätzen, welche Geldmittel er benötigt, um den Gläubiger zu befriedigen und so allenfalls seine klageweise Inanspruchnahme bzw den Verlust des Pfandobjekts zu verhindern; der Interzedent hat auch ein schutzwürdiges Interesse daran, über alle Zahlungen auf die betreffenden Konten informiert zu werden, die geeignet sind, einen offenen Saldo zu verringern oder auszugleichen; ihm ist nach der Rechnungslegung in geeigneter Weise Einsicht in die jeweiligen Belege zu gewähren


Schlagworte: Pfandrecht, Drittpfandbesteller, Bürge, Auskunftsanspruch, Rechnungslegung
Gesetze:

 

§§ 447 ff ABGB, § 1358 ABGB, § 1364 ABGB, § 879 ABGB

 

GZ 1 Ob 33/18m, 19.06.2018

 

OGH: Der Auskunftsanspruch des Bürgen gegenüber dem Gläubiger wird in § 1358 ABGB sehr allgemein und in § 1364 ABGB implizit angesprochen. Sein Vorliegen ermöglicht dem Bürgen das Geltendmachen der ihm zustehenden Rechte auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung. Die dem Bürgen gewährten Rechte stehen aber auch dem Interzedenten durch Drittpfandbestellung zu, der Auskunftsansprüche und Rechnungslegungsansprüche geltend macht, deren Erfüllung es ihm ermöglichen sollen, den Umfang seiner Haftung zu bestimmen. Dieser Anspruch ergibt sich, wenn das gesicherte Rechtsverhältnis beendet ist oder auf den Dritten gegriffen werden soll, überdies unmittelbar aus § 1366 ABGB. Damit ist die gesetzliche Grundlage für den Auskunftsanspruch und die damit verbundene Rechnungslegung gegenüber dem Drittpfandbesteller gegeben.

 

Der Anspruch richtet sich gegen den Gläubiger und geht zunächst auf Bekanntgabe der Ansprüche gegen den Pfandschuldner, aber als Rechnungslegungsanspruch über einen reinen Auskunftsanspruch über das Abrechnungsergebnis hinaus. Die Abrechnung ist Rechnungslegung über die Vermögensbewegung aus dem durch die Drittpfandbestellung gesicherten Geschäft und mit der Vermögens- und Schuldenangabe iSd Art 42 EGZPO nicht identisch. Das Bankgeheimnis (nun § 38 BWG) steht diesem Anspruch nicht entgegen.

 

Der Verpflichtete hat die Rechnung so zu legen, dass der Berechtigte auf deren Grundlage seine Ansprüche bzw seine Verbindlichkeiten dem Grunde und der Höhe nach konkretisieren kann. Die ordnungsgemäße Rechnungslegung umfasst demgemäß alle Angaben, die die Überprüfung der Rechnung ermöglichen. Dem Drittpfandbesteller steht ganz unabhängig von einem (bevorstehenden oder bereits anhängig gemachten) Verfahren zu, vom Gläubiger die notwendigen Informationen zu verlangen, die es ihm ermöglichen, sich über den Umfang seiner Haftung klar zu werden. Nur dann kann er etwa abschätzen, welche Geldmittel er benötigt, um den Gläubiger zu befriedigen und so allenfalls seine klageweise Inanspruchnahme bzw den Verlust des Pfandobjekts zu verhindern. Der Interzedent hat auch ein schutzwürdiges Interesse daran, über alle Zahlungen auf die betreffenden Konten informiert zu werden, die geeignet sind, einen offenen Saldo zu verringern oder auszugleichen. Ihm ist nach der Rechnungslegung in geeigneter Weise Einsicht in die jeweiligen Belege zu gewähren.

 

Aus dem Akzessorietätsprinzip folgt, dass der mit einer Hypothekarklage belangte Pfandbesteller alle Einwendungen gegen die gesicherte Forderung erheben kann, die auch dem persönlichen Schuldner zustehen, dies mit Ausnahme von höchstpersönlichen Einwendungen. Die im Insolvenzverfahren des Ex-Mannes der Klägerin festgestellte Forderung der Beklagten gewährte ihr nicht bloß einen Konkursteilnahmeanspruch, sondern verschaffte ihr auch einen Exekutionstitel gegenüber dem Schuldner (§ 61 Satz 1 IO). Die Geltendmachung der gesicherten Forderung im Wege einer Hypothekarklage gegen den Schuldner, der selbst ein Pfand bestellt hatte, würde dazu führen, dass bindend von Bestand und Fälligkeit dieser Forderung auszugehen wäre (§ 60 Abs 2, § 109 IO). Diese Wirkung bezieht sich notwendigerweise auf die Beziehung zwischen den Personen, die von der Wirkung der Eintragung erfasst werden, also auf den Schuldner und die Konkursgläubiger.

 

Mangels ihrer Beteiligung ergibt sich aber keine Bindungswirkung gegenüber der Klägerin als Pfandschuldnerin (auch nicht aus dem Grundsatz der Akzessorietät). Jedenfalls solange nicht als Hauptfrage urteilsmäßig darauf erkannt wurde, dass die Hauptschuld nicht besteht oder erloschen ist (was vorliegend nicht der Fall ist), äußert der im Verfahren zwischen Gläubiger und Hauptschuldner ergangene Ausspruch keinesfalls eine Rechtskraftwirkung gegen den Pfandbesteller. Die Klägerin kann daher grundsätzlich weiterhin alle ihr bisher zustehenden Einwendungen gegen die beklagte Pfandgläubigerin erheben.

 

Sie wurde im Zeitpunkt des Sicherheitentausches (Verpfändung ihres bei der Beklagten erliegenden Sparguthabens am 29. 4. 2011) von einem Mitarbeiter der Beklagten auf Liquiditätsprobleme des Hauptschuldners hingewiesen; es hätte immer wieder Probleme mit der Abbuchung laufender Zahlungen von dessen Girokonto gegeben und es wären regelmäßig kurzfristige Überziehungen gewährt worden. Weiters wurde ihr mitgeteilt, dass der Abstattungskredit noch mit 66.000 EUR aushafte. Dies wurde von ihr nicht hinterfragt. Als sie im Jahr 2015 an die Beklagte herantrat, um sich nach der Kreditschuld und dem von ihr verpfändeten Sparguthaben zu erkundigen, hielt diese ihr entgegen, dass ihr dazu keine Informationen zustünden. Bereits vor dem Tod des Hauptschuldners hatte die Klägerin neuerlich von der Beklagten Auskunft über die Höhe der Hauptschuld, die Vorlage entsprechender Belege sowie die Bekanntgabe, welche Einbringungsschritte gegen den Hauptschuldner gesetzt worden seien, gefordert. Die Beklagte verwies darauf, dass sie ihre Forderung im Verlassenschaftsverfahren angemeldet habe und ihr weitere Informationen nicht zustünden.

 

Selbst wenn man – was die Beklagte anstrebt – entsprechend der Rsp des OGH zu Art 42 EGZPO davon ausgehen wollte, dass eine Verpflichtung zur Rechnungslegung (nur) dort bestünde, wo der Berechtigte in entschuldbarer Weise über das Bestehen und den Umfang des Vermögens im Ungewissen, der Verpflichtete aber in der Lage ist, unschwer eine solche Auskunft zu erteilen, ist die Klägerin im Unklaren darüber, wie es zur Höhe der gesicherten Forderungen kam. Über die Zusammensetzung dieser Forderungen gab ihr die Beklagte bislang keine detaillierte Auskunft.

 

Die Klägerin hat Anspruch auf eine ordnungsgemäß zusammengestellte, formell vollständige Rechnung. Wenn im Klagebegehren eine „detaillierte und ordnungsgemäße“ Abrechnung des Kreditkontos und der zwei Girokonten in Form einer Einnahmen-Ausgaben-Rechnung begehrt wird, so ist damit eine ordnungsgemäß zusammengestellte, formell vollständige Rechnung gemeint. Nicht nachvollziehbar ist die Behauptung der Beklagten, die Klägerin könnte allein durch die Bekanntgabe der Höhe des verrechneten Zinssatzes überprüfen, „ob dieser Zinssatz aufgrund [der] vertraglichen Vereinbarung zwischen dem Pfandgläubiger und dem Hauptschuldner verrechnet werden durfte oder nicht“. Gegen den Inhalt des Rechnungslegungsbegehrens hat sie mit Ausnahme dessen Beginns im erstinstanzlichen Verfahren keine Einwendungen erhoben, sodass ihr dazu erstmals in der Revision erstattetes Vorbringen gegen das Neuerungsverbot verstößt und unbeachtlich ist (§ 504 Abs 2 ZPO).

 

Der Auskunftsanspruch ist grundsätzlich dispositiv und kann daher – in den durch § 879 ABGB gezogenen Grenzen – abbedungen werden.

 

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist Punkt 8a) erster Absatz des Pfandbestellungsvertrags vom 19. 2. 2007 keine Einschränkung zu entnehmen. Vielmehr kommt in dem von ihr formulierten Vertragstext zum Ausdruck, dass sie die Klägerin über künftige Kredit- und Darlehensgewährungen nicht unaufgefordert informieren werde, jedoch diese das Recht habe, Auskunft über den Umfang der durch die Pfandsache besicherten Forderungen zu erhalten. Dass damit zu Lasten der Klägerin vom dispositiven Recht auf Rechnungslegung abgewichen werden sollte, ist nicht der Fall.

 

Die Klägerin hat nach Erörterung des Erstgerichts, dass sich das Klagebegehren auf Zeiträume nach Bestellung des Drittpfands beschränken müsse, ihr Rechnungslegungs- und Auskunftsbegehren für die Zeit ab dem 15. 2. 2007 gestellt. Der (erste) Pfandbestellungsvertrag wurde am 19. 2. 2007 geschlossen. Entgegen der Meinung der Beklagten besteht der Rechnungslegungsanspruch der Klägerin auch für den Zeitraum 15. 2. bis 18. 2. 2007. Da die Pfandbestellung auch der Besicherung des ihrem (früheren) Ehemann am 9. 2. 2007 gewährten Kredites diente, erstreckt sich ihr schutzwürdiges Interesse an vollständiger Rechnungslegung auch auf die Zeiträume vor Beginn der Pfandbestellung. Die Beklagte nennt auch kein Argument, warum dies nicht der Fall sein sollte.

 

Die Beklagte brachte in der Klagebeantwortung vor, dass vor der Anmeldung ihrer Forderungen im Insolvenzverfahren gegen den Hauptschuldner keine gerichtliche Geltendmachung ihrer Forderungen erfolgt sei, sodass Exekutionsmaßnahmen „nicht denkbar waren“. Nach den Feststellungen hätte die Beklagte, nachdem der Hauptschuldner den Kredit vereinbarungsgemäß nicht zurückgezahlt hatte, diesen längst fällig stellen können, tat dies aber nicht, weil die Hoffnung bestand, dass er seinen Plan, einen Privatfernsehsender zu gründen, realisieren werde und dann die Kredite abdecken könnte. Als er der Beklagten schließlich in Aussicht gestellt hatte, er werde Förderungen von der Rundfunkbehörde erhalten, wurde am 25. 2. 2014 eine neue Vereinbarung zur Abdeckung der Kreditschuld getroffen. Demnach sollte er die Restschuld in fünf jährlichen Pauschalraten – deren Betrag deckte sich in etwa mit den in Aussicht gestellten jährlichen Förderungen – beginnend mit 1. 12. 2014 zurückzahlen.

 

Zutreffend legten die Vorinstanzen dar, dass die Klägerin, um beurteilen zu können, ob der Beklagten gegenüber ihrem Ex-Mann „Saumseligkeit in Eintreibung der Schuld“ (§ 1364 Satz 2 ABGB) vorzuwerfen sei, auch ein Recht auf Informationen über (erfolglose) „Einbringungsmaßnahmen“ zuzubilligen sei, die zu keinen Einnahmen oder Ausgaben geführt haben und daher vom Rechnungslegungsbegehren nicht umfasst sind. Zweck dieses Auskunftsanspruchs ist es, die Pfandschuldnerin – durch Mitteilung ihr unbekannter Tatsachen – in die Lage zu versetzen, Schadenersatzansprüche gegen den Pfandgläubiger geltend zu machen können; aus diesem Zweck ergibt sich auch der Umfang der Verpflichtung der Beklagten zur Auskunftserteilung. Die Beklagte hat hinsichtlich des (Abstattungs-)Kredits den von der Klägerin erhoben Auskunftsanspruch erfüllt, weil sie ihr mitteilte, sie habe diesbezüglich weder gerichtliche noch außergerichtliche Einbringungsmaßnahmen gesetzt. Da die begehrten Informationen auch im Laufe des Prozesses erteilt werden können, ist insofern ihr Auskunftsbegehren erfüllt. Nicht umfasst von dieser Auskunft waren jedoch Informationen zu allfälligen, von der Beklagten gesetzten Maßnahmen in Bezug auf die zwei Girokonten des Hauptschuldners, die ebenfalls durch die Pfandbestellung gesichert wurden. In diesem Umfang besteht der Anspruch auf Auskunftserteilung zu Recht.