OGH: Mängel bei Errichtung einer Eigentumswohnung – Forderung hinsichtlich der mängelfreieen Leistung an allgemeinen Teilen?
Da der Beklagten ein Benützungsrecht auch hinsichtlich der allgemeinen Teile der Liegenschaft zukommt, erstreckt sich ihr Leistungsverweigerungsrecht auch auf diese Teile der Liegenschaft, solange sich die Mit- und Wohnungseigentümer nicht mehrheitlich auf die Geltendmachung eines Preisminderungsanspruchs festgelegt haben
§§ 1165 ff ABGB, §§ 922 ff ABGB, § 1052 ABGB, § 932 ABGB, § 1170 ABGB
GZ 6 Ob 89/18h, 28.06.2018
OGH: Die Beklagte hat den Einwand des nicht erfüllten Vertrags erhoben und damit die mangelnde Fälligkeit des Werklohns eingewendet. Die Fälligkeit des Werklohns kann nur solange hinausgeschoben werden, als ein Verbesserungsanspruch besteht und die Verbesserung im Interesse des Bestellers liegt. Fällt dieses Interesse weg, besteht kein Bedürfnis nach Gewährung eines gänzlichen Leistungsverweigerungsrechts mehr. Wo die Verbesserung nicht oder nicht mehr in Betracht kommt, ein durch das Gewährleistungsrecht aufrechter Erfüllungsanspruch gegen den Unternehmer nicht oder nicht mehr besteht, ist auch kein Recht zur Verweigerung der Gegenleistung anzuerkennen. Den Unternehmer trifft die Behauptungs- und Beweislast hinsichtlich des Wegfalls des Verbesserungsinteresses des Bestellers; dies gilt auch im Fall einer Weiterveräußerung der mangelhaften Sache.
Die Klägerin führt für ihre Auffassung, das Interesse der Beklagten an der Verbesserung sei weggefallen, die Entscheidungen 8 Ob 628/90 und 8 Ob 1652/92 ins Treffen.
Diese Entscheidungen sind aber mit dem vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbar: In der ersten Entscheidung hatte der Gewährleistungsberechtigte – anders als hier – auf das Leistungsverweigerungsrecht verzichtet. Ebenso nahm der OGH in der zweiten Entscheidung einen Wegfall des Interesses an der Verbesserung an, wenn die nunmehrigen Eigentümer (die vom Besteller das mangelhafte Werkstück erworben haben) eine weitere Verbesserung nicht mehr wünschen. Derartiges steht im vorliegenden Fall nicht fest.
Überdies kann hier von einem Wegfall des Interesses der Beklagten an der Verbesserung schon deshalb keine Rede sein, weil sie sich an der Wohnung, die sie ihrem minderjährigen Sohn geschenkt hat, ein Wohnungsgebrauchsrecht vorbehalten hat und offensichtlich dort auch wohnt.
Da der Beklagten ein Benützungsrecht auch hinsichtlich der allgemeinen Teile der Liegenschaft zukommt, erstreckt sich ihr Leistungsverweigerungsrecht auch auf diese Teile der Liegenschaft, solange sich die Mit- und Wohnungseigentümer nicht mehrheitlich auf die Geltendmachung eines Preisminderungsanspruchs festgelegt haben. Es bedarf daher entgegen der Auffassung der Revisionswerberin keiner Zession, damit die Beklagte die mängelfreie Leistung an allgemeinen Flächen fordern kann. Die vom Berufungsgericht zitierten Entscheidungen 5 Ob 126/00s und 5 Ob 28/02g sind daher durchaus einschlägig.
Die Revisionswerberin meint, bei Vorliegen von Mängeln wäre dem Klagebegehren Zug um Zug gegen Behebung der Mängel stattzugeben gewesen.
Dem ist Folgendes zu entgegnen: Gem § 1170 erster Satz ABGB ist das Entgelt idR, wenn – wie hier – nichts anderes vereinbart ist, nach vollendetem Werk zu entrichten. Beim Werkvertrag, bei dem das Gesetz eine Vorleistungspflicht des Unternehmers anordnet, ist § 1052 ABGB idR deshalb nicht anwendbar. Vor der gehörigen Erbringung der zugesagten Leistung ist der Werkvertrag noch nicht erfüllt und der Werklohn daher nicht fällig. Klagt der Werkunternehmer den Besteller vor gehöriger Erfüllung auf Zahlung des Werklohns, so kann der beklagte Besteller die Einrede des nicht erfüllten Vertrags erheben und damit zugleich die mangelnde Fälligkeit des Entgeltanspruchs geltend machen. Der Unternehmer kann daher beim Werkvertrag als Vorleistungspflichtiger den Werklohn nicht Zug um Zug gegen Erbringung seiner Gegenforderung fordern. Dies gilt auch dann, wenn das Werk zwar übergeben wurde, vorhandene behebbare Mängel aber bei vom Besteller begehrter Verbesserung noch nicht behoben sind.