30.07.2018 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Zur Frage, ob der nach dem arbeitsrechtlichen Ende des Dienstverhältnisses gelegene Zeitraum eines Krankenstands bei der Entstehung oder Bemessung der zeitabhängigen Entgeltfortzahlungsansprüche gem § 5 EFZG noch einzurechnen ist und anspruchsbegründend wirkt

Sieht ein Kollektivvertrag vor, dass der Anspruch auf eine Jahresremuneration dem Grunde nach erst nach einer bestimmten Dauer des Arbeitsverhältnisses entsteht und endet es noch vor Ablauf der erforderlichen Zeit, dann umfasst der Fortzahlungsanspruch nach § 5 EFZG auch im weiter dauernden Krankenstand nur das Entgelt, das vor der Beendigung regelmäßig gebührt hat; ein Anspruch, der nur dann entstanden wäre, wenn das Arbeitsverhältnis fiktiv über den Termin der (rechtmäßigen) Beendigung hinaus gedauert hätte, ist bei einer auf § 5 EFZG gegründeten Entgeltfortzahlung nicht zu berücksichtigen


Schlagworte: Entgeltfortzahlung, Beendigung des Arbeitsverhältnisses, Arbeitsverhinderung, Krankenstand, Jahresremuneration
Gesetze:

 

§ 5 EFZG, § 2 EFZG, § 3 EFZG

 

GZ 8 ObA 53/17b, 23.02.2018

 

OGH: Nach § 5 EFZG bleibt der Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts für die nach diesem Bundesgesetz vorgesehene Dauer bestehen, wenngleich das Arbeitsverhältnis früher endet, wenn der Arbeitnehmer während einer Arbeitsverhinderung gem § 2 EFZG gekündigt, ohne wichtigen Grund vorzeitig entlassen wird oder wenn den Arbeitgeber ein Verschulden an dem vorzeitigen Austritt des Arbeitnehmers trifft.

 

Diese Regelung soll verhindern, dass sich der Arbeitgeber von der Pflicht zur Entgeltfortzahlung an den Arbeitnehmer dadurch befreit, dass er während der Arbeitsverhinderung das Dienstverhältnis durch Kündigung oder ungerechtfertigte Entlassung löst. Der Zeitpunkt des rechtlichen Endes des Arbeitsverhältnisses wird durch die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Entgeltfortzahlung nicht hinausgeschoben.

 

Als regelmäßiges Entgelt gilt nach § 3 EFZG das Entgelt, das dem Arbeitnehmer gebührt hätte, wenn keine Arbeitsverhinderung eingetreten wäre. Es ist vom arbeitsrechtlichen Entgeltbegriff auszugehen, der außer dem Grundlohn auch anteilige Sonderzahlungen beinhaltet, wenn und soweit darauf nach Kollektivvertrag oder Vereinbarung ein Anspruch besteht. Diese Rechtsauffassung ist im vorliegenden Verfahren auch gar nicht strittig.

 

Entscheidend ist hier vielmehr, ob der nach dem arbeitsrechtlichen Ende des Dienstverhältnisses gelegene Zeitraum eines Krankenstands bei der Entstehung oder Bemessung der zeitabhängigen Entgeltfortzahlungsansprüche gem § 5 EFZG noch einzurechnen ist und anspruchsbegründend wirkt.

 

Mit diesem Problem hatte sich der OGH zwar nicht in Bezug auf die hier strittige Jahresremuneration, aber in anderen Zusammenhängen bereits zu befassen.

 

Seit der E 9 ObA 36/10z entspricht es seiner stRsp, dass § 5 EFZG die Ausschöpfung des noch nicht verbrauchten Kontingents an Entgeltfortzahlungsanspruch für das laufende Arbeitsjahr gewährleistet. Endet jedoch das Arbeitsverhältnis vor Beginn des neuen Arbeitsjahres und kann daher kein neues Arbeitsjahr zu laufen beginnen, gibt § 5 EFZG trotz fortdauernden Krankenstands keine geeignete Grundlage ab, einen neuen Entgeltfortzahlungsanspruch entstehen zu lassen.

 

In der E 9 ObA 123/10v hat der OGH auch klargestellt, dass der nach der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gelegene Entgeltfortzahlungszeitraum nicht mehr zur Bemessung der Abfertigung einzurechnen ist. Die Regelung des § 5 EFZG solle (nur) verhindern, dass sich der Arbeitgeber von der Pflicht zur Entgeltfortzahlung an den Arbeitnehmer dadurch befreit, dass er während der Arbeitsverhinderung das Arbeitsverhältnis durch Kündigung oder ungerechtfertigte Entlassung löst.

 

Die für den Standpunkt der Revisionswerberin ins Treffen geführte Rsp zur Berechnung einer Urlaubsersatzleistung ist nicht einschlägig. Der nicht konsumierte Urlaub ist so zu entschädigen, wie wenn er noch in einem aufrechten Arbeitsverhältnis verbraucht worden wäre, sodass Sonderzahlungen anteilig (ohne Rücksicht auf die Fälligkeitstermine) auch in die Urlaubsersatzleistung einzurechnen sind.

 

Diese Betrachtungsweise kann auf den Anspruch nach § 5 EFZG nicht übertragen werden. Diese Bestimmung will missbräuchliche Gestaltungen zur Umgehung der Entgeltfortzahlungspflicht als solcher verhindern, normiert aber keine darüber hinaus gehende Einschränkung des Kündigungsrechts. Eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses während des Krankenstands ist zulässig und nicht rechtswidrig. Mit § 5 EFZG wird dem Arbeitgeber auch nicht die Möglichkeit genommen, einen Kündigungstermin so zu wählen, dass ein von der Dauer der Dienstzeit abhängiger Anspruch nicht mehr entstehen kann.

 

Sieht ein Kollektivvertrag, wie der hier anzuwendende, daher vor, dass der Anspruch auf eine Jahresremuneration dem Grunde nach erst nach einer bestimmten Dauer des Arbeitsverhältnisses entsteht und endet es noch vor Ablauf der erforderlichen Zeit, dann umfasst der Fortzahlungsanspruch nach § 5 EFZG auch im weiter dauernden Krankenstand nur das Entgelt, das vor der Beendigung regelmäßig gebührt hat. Ein Anspruch, der nur dann entstanden wäre, wenn das Arbeitsverhältnis fiktiv über den Termin der (rechtmäßigen) Beendigung hinaus gedauert hätte, ist bei einer auf § 5 EFZG gegründeten Entgeltfortzahlung nicht zu berücksichtigen.