OGH: Leistungs- / Feststellungsbegehren der Eltern iZm Unterhaltsmehraufwand aufgrund unfallbedingter Verzögerung des Studiums?
Der OGH hat bereits ausgesprochen, dass ein Student nicht sowohl Verdienstentgang wegen verzögerten Eintritts ins Berufsleben als auch Ersatz des Unterhaltsmehraufwands wegen eines unfallskausal verlängerten Studiums begehren kann; diesen Umständen ist dadurch Rechnung zu tragen, dass eine Feststellung der Haftung der Beklagten nur für Leistungen der Kläger, die diese aufgrund ihrer Unterhaltspflicht anstelle der Beklagten an ihre Tochter erbracht haben, in Betracht kommt
§ 1325 ABGB, §§ 1295 ff ABGB, § 1358 ABGB, § 231 ABGB, § 226 ZPO, § 228 ZPO
GZ 2 Ob 18/18p, 25.04.2018
OGH: Es entspricht stRsp und hL, dass ein durch die Verletzungsfolgen im Studium behinderter Student Anspruch auf Ersatz des Verdienstausfalls hat, der durch den verzögerten Eintritt ins Berufsleben entsteht. Einem in Berufsausbildung befindlichen Verletzten, der unfallsbedingt seine Prüfung erst später ablegen kann als seinerzeit vorgesehen, sind für die bis dahin verlorene Zeit die angemessenen Kosten für den gesamten Lebensunterhalt zu ersetzen.
Auch ist nach der Rsp ein Elternteil berechtigt, jenen Schaden im eigenen Namen einzuklagen, der ihm aufgrund seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht durch die „Heilungskosten“ seines unterhaltsberechtigten Kindes entstanden ist. § 1358 ABGB ist insofern analog anzuwenden.
Dem Berufungsgericht ist zuzugeben, dass die Entscheidung 1 Ob 2201/96z einen Fall von unfallbedingtem Sonderbedarf für Heilungskosten betraf. Der erste Senat verwies in dieser Entscheidung jedoch auch auf ältere Rsp, die in RIS-Justiz RS0022850 zusammengefasst ist und zum Teil auch Fälle der Verlängerung der Unterhaltspflicht betrifft:
So wurde in 2 Ob 241/67 die Berechtigung eines Feststellungsbegehrens eines Elternteils bestätigt, wonach der Unfallgegner für den Unterhaltsmehraufwand bis zur verzögerten Selbsterhaltungsfähigkeit eines Studenten zu haften habe. Der Einwand, es handle sich bloß um einen mittelbaren Schaden, den der Kläger nicht im eigenen Namen geltend machen könne, wurde verworfen.
Diese Ansicht bestätigte der Senat in der Entscheidung 2 Ob 364/69. Dort klagte zwar der Student selbst. Dem Einwand der mangelnden Aktivlegitimation widersprach der OGH jedoch mit dem Argument, es komme nicht darauf an, ob der Student oder der Vater den Anspruch geltend mache. Unter Verweis auf SZ 35/32 hielt er fest, dass in Fällen, in denen es nur darum gehe, ob der Verletzte selbst oder der Unterhaltspflichtige einen bestimmten Schaden geltend mache, die Gefahr der Ausweitung der Schadenersatzpflicht auf bloß mittelbar Geschädigte nicht bestehe. Der Unterhaltsbedarf aufgrund des Verlustes eines Semesters sei „eine Art“ Verdienstentgang.
Auf dieser Basis ist es konsequent, auch in Fällen von Unterhaltsmehraufwand grundsätzlich die Aktivlegitimation der Eltern anzuerkennen und wie in 1 Ob 2201/96z, wo bereits auf SZ 67/52 (2 Ob 21/94) und die damit eingeleitete Judikatur zu den Lohnfortzahlungsfällen verwiesen wurde, zu behandeln, was ebenfalls zu einer analogen Anwendung von § 1358 ABGB führt. Damit ist auch klargestellt, dass es sich nicht um einen eigenen Schaden des ersatzberechtigten Elternteils, sondern um einen Fall der Schadensüberwälzung handelt.
Es ist daher die Aktivlegitimation der Eltern grundsätzlich zu bejahen, sodass sowohl das Leistungs- als auch die Feststellungsbegehren weiterer Prüfung zu unterziehen sind:
Zum Leistungsbegehren:
Ein Rückgriffsrecht setzt voraus, dass bereits Zahlung geleistet wurd, weil der Forderungsübergang erst im Zeitpunkt der Zahlung eintritt. Bei Teilzahlung kommt es zu einem Teilübergang.
Die Zweitklägerin brachte zu ihrem Leistungsbegehren vor, dass sie aufgrund des verzögerten Studienbeginns ihrer Tochter einen Unterhaltsbeitrag von 5.568 EUR für ein Jahr bezahlt habe, was ohne den Unfall nicht notwendig geworden wäre.
Nun hätte die Tochter aber unstrittig ohne den Unfall ein Jahr früher zu studieren begonnen, die Zweitklägerin hätte daher auch ohne den Unfall für dieses Jahr Unterhalt an die Tochter geleistet. Der mögliche Schaden besteht daher hier in Wahrheit darin, dass die Tochter voraussichtlich wegen des Unfalls ein Jahr später in das Erwerbsleben eintreten und daher ein Jahr länger nicht selbsterhaltungsfähig sein wird. Dass dieser Schaden im relevanten Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz (§ 406 ZPO), das war hier der 2. Oktober 2015, noch nicht eingetreten war, liegt im Hinblick auf den Studienbeginn 2013 auf der Hand (§ 269 ZPO). Gegenteiliges wurde auch nicht behauptet. Das Erstgericht hat daher die Berechtigung des Leistungsbegehrens zu Recht verneint, sodass dieser Teil der Berufungsentscheidung als Teilurteil zu bestätigen war.
Zu den Feststellungsbegehren:
Da den Eltern, wie gerade erörtert, noch kein Schaden entstanden ist, stellt sich die Frage, ob ihr möglicher zukünftiger Schaden feststellungsfähig ist. Dies ist zu bejahen:
Wie der Senat erst jüngst in 2 Ob 197/17k ausgesprochen hat, ist der Unterhaltsverpflichtete nach Maßgabe seiner Leistungsfähigkeit verpflichtet, einen schädigungsbedingten Mehrbedarf des Unterhaltsberechtigten abzudecken. Diese Leistung hat jedoch nicht den Zweck, den Schädiger zu entlasten. Daher geht der Anspruch analog § 1358 ABGB aufgrund der Leistung in deren Umfang auf den bloß formell haftenden Unterhaltsschuldner über. Inhaltlich gerechtfertigt ist diese Analogie – wie auch in den Lohnfortzahlungsfällen – dadurch, dass die Leistung des Unterhaltsschuldners eine bloße Schadensverlagerung bewirkt. Sie führt daher nicht zu Ansprüchen auf Ersatz bloß mittelbarer Schäden, die vom Schutzzweck der Norm nicht gedeckt wären.
Ein solcher Ersatzanspruch kann in Bezug auf künftig nicht auszuschließende Leistungspflichten des Unterhaltsschuldners, für die materiell der Schädiger haftet, nach § 228 ZPO festgestellt werden. Das erforderliche Feststellungsinteresse liegt schon darin, dass die Beklagten – wie hier – den Bestand des Rechts ernsthaft bestreiten, sodass ein aktueller Anlass zur präventiven Klärung besteht. Das Feststellungsinteresse kann auch im Hinblick auf die Anerkennung des Verdienstentgangsanspruchs der verletzten Tochter der Kläger nicht verneint werden, weil die Selbsterhaltungsfähigkeit und damit der Wegfall der Unterhaltspflicht der Eltern nicht schon durch das Anerkenntnis, sondern erst durch die tatsächlichen Verdienstentgangsleistungen der Schädiger herbeigeführt wird.
Damit wird aber auch die von den Beklagten aufgeworfene Frage der doppelten Entschädigung (Verdienstentgang und Unterhaltsleistungen) relevant.
In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, dass der aus § 1358 ABGB analog abgeleitete Anspruch zweifach begrenzt ist: Er kann erstens nur in dem Umfang übergehen, in dem eine vom Unterhaltspflichtigen geschuldete Leistung auch tatsächlich erbracht wird. Zweitens kann er nur insoweit zu Recht bestehen, als er auch der unmittelbar Verletzten zustünde, weil nach § 1358 ABGB der aus dem Grunde des Forderungsübergangs Berechtigte im Rückgriffsweg nie mehr beanspruchen kann, als der Hauptschuldner dem Gläubiger schuldete.
Der OGH hat demgemäß bereits in mehreren Entscheidungen ausgesprochen, dass ein Student nicht sowohl Verdienstentgang wegen verzögerten Eintritts ins Berufsleben als auch Ersatz des Unterhaltsmehraufwands wegen eines unfallskausal verlängerten Studiums begehren kann.
Diesen Umständen ist – nach Erörterung im vor dem Erstgericht fortzusetzenden Verfahren – dadurch Rechnung zu tragen, dass eine Feststellung der Haftung der Beklagten nur für Leistungen der Kläger, die diese aufgrund ihrer Unterhaltspflicht anstelle der Beklagten an ihre Tochter erbracht haben, in Betracht kommt.