29.07.2018 Verkehrsrecht

VwGH: Sicherung einer Eisenbahnkreuzung – zur Übergangsbestimmung des § 102 Abs 3 EisbKrV 2012

Die EisbKrV 2012 trat am 1. September 2012 in Kraft; ausgehend davon können bestehende Schrankenanlagen mit Läutewerk (eine Sicherungsart, die nach der EisbKrV 2012 nicht mehr vorgesehen ist) grundsätzlich bis längstens 31. August 2029 beibehalten werden; dabei handelt es sich, wie der Wortlaut des § 102 Abs 3 EisbKrV 2012 erkennen lässt, um eine maximale Übergangsfrist, die nicht in jedem Fall vollständig ausgeschöpft werden darf; entscheidend ist vielmehr, welche Art der Sicherung die Behörde gem § 49 Abs 2 EisbG im Einzelfall nach Maßgabe der örtlichen Verhältnisse und Verkehrserfordernisse für erforderlich erachtet, um darauf aufbauend beurteilen zu können, ob und wie lange eine bestehende Altanlage noch in dieser Form weiter beibehalten werden darf; dabei kommt - fallbezogen - der Einschätzung des Amtssachverständigen, der die Beibehaltung der bestehenden Anlage aus Gründen der Verkehrssicherheit für nicht mehr vertretbar angesehen hatte, große Bedeutung zu; es ist der Auslegung des § 102 Abs 3 EisbKrV 2012 zu folgen, wonach - unter den genannten Einschränkungen - nur solche Bestandanlagen mit Läutewerk beibehalten werden dürfen, die fahrtbedingt angeschaltet werden können


Schlagworte: Eisenbahnrecht, Sicherung einer Eisenbahnkreuzung, Bestandanlagen mit Läutewerk, fahrtbedingte Anschaltung
Gesetze:

 

§ 102 EisbKrV 2012

 

GZ Ra 2018/03/0037, 29.05.2018

 

VwGH: Unstrittig ist, dass die in Rede stehende Eisenbahnkreuzung derzeit durch eine Schrankenanlage gem § 8 Eisenbahn-Kreuzungsverordnung 1961 gesichert ist. Diese Vollschrankenanlage mit Läutewerk wird nicht fahrtbewirkt (also ausgelöst durch das herannahende Schienenfahrzeug) angeschaltet, sondern mechanisch mit einem Kurbelwerk durch den Fahrdienstleiter vom Bahnhof T bedient.

 

Vorauszuschicken ist auch, dass der im verwaltungsbehördlichen Verfahren beigezogene Amtssachverständige für Eisenbahntechnik und -betrieb insbesondere ausgeführt hatte, dass eine Beibehaltung der bestehenden Schrankenanlage - mit näherer Begründung - für nicht vertretbar angesehen werde, weil dies "aufgrund der Hörbarkeit für Kraftfahrzeuglenker im Zuge der L 157 keinesfalls dem Stand der Technik" entspreche.

 

Ungeachtet dessen strebt die Revisionswerberin eine (vorläufige) Aufrechterhaltung der bestehenden Sicherungsanlagen an und stützt sich dabei auf die Übergangsbestimmung des § 102 Abs 3 EisbKrV 2012.

 

Die EisbKrV 2012 trat am 1. September 2012 in Kraft. Ausgehend davon können bestehende Schrankenanlagen mit Läutewerk (eine Sicherungsart, die nach der EisbKrV 2012 nicht mehr vorgesehen ist) grundsätzlich bis längstens 31. August 2029 beibehalten werden. Dabei handelt es sich, wie der Wortlaut des § 102 Abs 3 EisbKrV 2012 erkennen lässt, um eine maximale Übergangsfrist, die nicht in jedem Fall vollständig ausgeschöpft werden darf. Entscheidend ist vielmehr, welche Art der Sicherung die Behörde gem § 49 Abs 2 EisbG im Einzelfall nach Maßgabe der örtlichen Verhältnisse und Verkehrserfordernisse für erforderlich erachtet, um darauf aufbauend beurteilen zu können, ob und wie lange eine bestehende Altanlage noch in dieser Form weiter beibehalten werden darf. Dabei kommt - fallbezogen - der Einschätzung des Amtssachverständigen, der die Beibehaltung der bestehenden Anlage aus Gründen der Verkehrssicherheit für nicht mehr vertretbar angesehen hatte, große Bedeutung zu.

 

Ungeachtet dessen setzt die Anwendung des § 102 Abs 3 EisbKrV 2012 auch voraus, dass die bestehende Anlage "an die Bestimmungen der §§ 65, 66, 67, 70 bis 73 und 75 dieser Verordnung angepasst werden" kann. Über die Auslegung dieser Wendung besteht zwischen der Verwaltungsbehörde bzw dem LVwG einerseits und der Revisionswerberin andererseits Uneinigkeit. Tatsächlich lässt diese Vorschrift Klarheit über ihre Bedeutung vermissen und es kann auch dem Einführungseinlass zur EisbKrV 2012 vom 27. August 2012, GZ BMVIT-265.000/0004-IV/SCH2/2012, nicht entnommen werden, welche Zielvorstellungen der Verordnungsgeber mit dieser Wendung im Einzelnen verfolgt hat. Die verwiesenen Normen beschäftigen sich zum einen mit der erforderlichen Annäherungszeit des Schienenfahrzeuges bei fahrtbedingter Anschaltung einer durch Lichtzeichen gesicherten Eisenbahnkreuzung (§§ 65, 66 EisbKrV 2012), der Dauer des sog Anhaltegebotes für die Straßenbenützer bei Lichtzeichen mit Schranken (§ 67 EisbKrV 2012), sowie der erforderlichen Annäherungszeit des Schienenfahrzeuges bei fahrtbedingter Einschaltung einer durch Lichtzeichen mit Schranken gesicherten Eisenbahnkreuzung in verschiedenen Konstellationen (§§ 70 bis 73 EisbKrV 2012). § 75 EisbKrV 2012 enthält schließlich noch Regelungen für die erforderliche Länge der (sog) Einschaltstrecke vor der Eisenbahnkreuzung, und zwar "bei fahrtbewirkter Anschaltung der Lichtzeichen und der Lichtzeichen mit Schranken".

 

Den angeführten Normen ist gemeinsam, dass sie sich auf fahrtbedingte Anschaltung der Lichtzeichen bzw der Lichtzeichen mit Schranken beziehen. Dies spricht für die Sichtweise der Behörde bzw des LVwG, die Übergangsbestimmung des § 102 Abs 3 EisbKrV 2012 auf jene Bestandanlagen zu beziehen, die fahrtbedingt angeschaltet werden, zumal es solche, folgt man den Ergebnissen des Verwaltungsverfahrens, auch in der Vergangenheit schon gegeben hat.

 

Für dieses Ergebnis spricht auch der - ebenfalls vom LVwG angeführte - Umstand, dass § 102 Abs 3 EisbKrV 2012 in seinem Verweis auf Normen der Verordnung keine Regelungen anführt, die sich auf Schrankenanlagen beziehen, welche nicht fahrtbedingt angeschaltet werden, obwohl es solche in der EisbKrV gibt. So regelt etwa § 69 Abs 1 EisbKrV 2012, zu welchem Zeitpunkt Lichtzeichen mit Halb- oder Vollschranken bei gleichzeitigem oder versetztem Schließen der Schrankenbäume unter Berücksichtigung der erforderlichen Annäherungszeit des Schienenfahrzeuges anzuschalten sind, wenn die Anschaltung nicht fahrtbewirkt erfolgt. Ein Vergleich mit solchen Anlagen wäre naheliegend, wenn - wie im vorliegenden Fall - eine Bestandanlage zu beurteilen ist, die nicht fahrtbedingt angeschaltet wird und zur Warnung der Verkehrsteilnehmer ein Läutewerk (statt Lichtzeichen) verwendet. § 69 EisbKrV 2012 findet sich jedoch in der Aufzählung der verwiesenen Normen des § 102 Abs 3 EisbKrV 2012 nicht.

 

Insgesamt ist somit der Auslegung des § 102 Abs 3 EisbKrV 2012 durch die Verwaltungsbehörde bzw durch das LVwG zu folgen, wonach - unter den Einschränkungen, die oben dargestellt worden sind - nur solche Bestandanlagen mit Läutewerk beibehalten werden dürfen, die fahrtbedingt angeschaltet werden können. Das trifft auf die gegenständliche Bestandanlage derzeit nicht zu. Die Revisionswerberin bringt auch nicht vor, sie würde eine Anpassung der Bestandanlage an die EisbKrV 2012 in der Weise anstreben, dass die Bestandanlage künftig zumindest fahrtbedingt angeschaltet werden würde. Ihr einziger Einwand, mit dem sie sich gegen die angeordnete Erneuerung der Anlage wendet, nämlich der behauptete Bestandschutz der bestehenden Anlage, erweist sich nach dem bisher Gesagten aber als ungeeignet, die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses zu begründen.