29.07.2018 Verkehrsrecht

VwGH: Abweisung des Antrags auf "Umschreibung eines syrischen Führerscheines" auf Basis der Annahme, bei dem vorgelegten Führerschein handle es sich um eine "Totalfälschung" gem § 23 Abs 3 FSG – Zulässigkeit der Anordnung einer Beobachtungsfahrt?

Maßgebliches Beweisthema iSd § 23 Abs 3 FSG ist das Bestehen einer ausländischen Lenkberechtigung, nicht aber das Vorhandensein der für das Lenken eines Kraftfahrzeugs erforderlichen - theoretischen und praktischen - Fähigkeiten (hinzuweisen ist im gegebenen Zusammenhang darauf, dass für die Erteilung einer Lenkberechtigung nach § 23 Abs 3 FSG ("Führerscheinumschreibung") zusätzlich die gesundheitliche Eignung - Abs 3 Z 3 - sowie gegebenenfalls die fachliche Befähigung - Abs 3 Z 4 - nachzuweisen ist); vor diesem Hintergrund kann eine Beobachtungsfahrt nach § 9 FSG nicht als geeignetes Beweismittel für die maßgebliche Beweisfrage, ob der Antragsteller im Besitz einer (ausländischen) Lenkberechtigung ist, angesehen werden


Schlagworte: Führerscheinrecht, ausländischer Führerschein, Führerscheinumschreibung, Fälschung, Sachverhalt, Ermittlungsverfahren, Verwaltungsgericht, Beobachtungsfahrt, theoretische / praktische Fähigkeiten
Gesetze:

 

§ 23 FSG, § 9 FSG, § 46 AVG, § 17 VwGVG

 

GZ Ra 2018/11/0059, 15.06.2018

 

VwGH: Die Erteilung einer (österreichischen) Lenkberechtigung gem 23 Abs 3 erster Halbsatz FSG setzt den Besitz einer in einem Nicht-EWR-Staat erteilten Lenkberechtigung voraus. Nur wenn das Ermittlungsverfahren ergibt, dass der Antragsteller Besitzer einer solchen Lenkberechtigung ist, kann ihm nach dieser Bestimmung die Lenkberechtigung erteilt werden. Daraus folgt, dass von der Führerscheinbehörde bzw dem im Beschwerdeweg angerufenen VwG in der Beweiswürdigung nachvollziehbar darzulegen ist, ob auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens davon auszugehen ist, der Antragsteller sei im Besitz der genannten ausländischen Lenkberechtigung oder ob dies nicht der Fall sei. Zu letztgenanntem Ergebnis kann insbesondere dann gelangt werden, wenn ein ausländischer Führerschein vorgelegt wird und triftige Gründe gegen die Echtheit dieses Dokumentes sprechen.

 

Wichtigstes Beweismittel für das Bestehen der Lenkberechtigung ist zwar regelmäßig der Führerschein, also die über die Berechtigung von der ausländischen Kraftfahrbehörde ausgestellte Urkunde. Der Beweis für das Bestehen einer ausländischen Lenkberechtigung kann aber auch auf jede andere Weise erbracht werden, die geeignet ist, die Überzeugung vom Besitz der genannten Lenkberechtigung zu verschaffen. Wenn die Behörde - wie im vorliegenden Fall auf Grund des Ergebnisses einer kriminaltechnischen Untersuchung des Führerscheines - davon ausgehen muss, dass es sich bei dem ihr vorgelegten Führerschein um eine Fälschung handelt, hat sie dies dem Antragsteller bekannt zu geben und ihn aufzufordern, andere geeignete Unterlagen vorzulegen, insbesondere solche betreffend die von ihm absolvierte Ausbildung und die von ihm erfolgreich abgelegte Prüfung. Insoweit trifft die Partei im Erteilungsverfahren eine spezifische Mitwirkungsobliegenheit, deren Verletzung zur Versagung der beantragten Lenkberechtigung führen kann.

 

Das VwG hat zwar die nach dem eben Gesagten maßgebende Rechtslage zutreffend (zusammengefasst) wiedergegeben, ist den sich daraus für die Entscheidung des vorliegenden Falles ergebenden Anforderungen aber nur unzureichend nachgekommen. In der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses wird nach Wiedergabe der Ergebnisse der durchgeführten mündlichen Verhandlung im Rahmen der rechtlichen Beurteilung (zusammengefasst) Folgendes ausgeführt:

 

Gem § 46 AVG komme als Beweismittel alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich sei ("Grundsatz der Unbeschränktheit der Beweismittel"). Gem § 9 FSG könne in den dort bezeichneten Fallkonstellationen eine Beobachtungsfahrt angeordnet werden, die Durchführung einer solchen sei aber auch in anderen Fällen nicht ausgeschlossen. Da eine Beobachtungsfahrt auch dazu diene, die fachliche Befähigung des Betreffenden festzustellen, könne sie als Beweis dafür dienen, dass der Mitbeteiligte tatsächlich über eine Fahrpraxis wie von ihm geltend gemacht verfüge bzw "dass ihm in Syrien tatsächlich eine Lenkberechtigung erteilt wurde". Nach Durchführung einer positiven Beobachtungsfahrt habe der Mitbeteiligte noch gem § 23 Abs 3 FSG eine praktische Fahrprüfung nach § 11 Abs 4 FSG zu absolvieren. Es sei der Beschwerde daher insofern stattzugeben gewesen, als dem Mitbeteiligten die Lenkberechtigung befristet (im Einklang mit dem ihm - auf Basis der von ihm vorgelegten Bestätigungen - in Syrien ausgestellten Führerschein) und unter den aufschiebenden Bedingungen der positiven Absolvierung einer Beobachtungsfahrt nach § 9 FSG und einer Fahrprüfung nach § 11 Abs 4 FSG erteilt werde. Ausdrücklich festzuhalten sei, dass eine wirksame Erteilung der Lenkberechtigung erst nach Erfüllung der Bedingungen vorliege.

 

Diese Begründung lässt erkennen, dass das VwG davon ausgegangen ist, der entscheidungserhebliche Sachverhalt, ob also der Mitbeteiligte im Besitz einer syrischen Lenkberechtigung war, stehe noch nicht fest; vielmehr solle dies erst durch die Durchführung einer - von der belBeh zu veranlassenden und zu beurteilenden - Probefahrt geklärt werden. So hat der erkennende Richter des VwG mit Schreiben vom 27. Februar 2018 auch festgehalten, das verwaltungsgerichtliche Verfahren sei mit Zustellung des Erkenntnisses abgeschlossen; die "Beurteilung der Beobachtungsfahrt" erfolge durch die belBeh.

 

Ein derartiges Verständnis steht aber schon deshalb nicht im Einklang mit der Rechtslage, weil das VwG grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden hat; eine Zurückverweisung an die Behörde kommt nur unter den - hier nicht in Betracht kommenden und in der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses auch nicht angesprochenen - Voraussetzungen des § 28 Abs 3 und 4 VwGVG in Betracht.

 

Hat das VwG aber in der Sache zu entscheiden, und damit im vorliegenden Fall aufgrund der Beschwerde des Mitbeteiligten über dessen Antrag auf Erteilung einer Lenkberechtigung abzusprechen, so hat es den Bestand aller gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung der beantragten Bewilligung zu prüfen und, wenn diese Voraussetzungen vorliegen, die Bewilligung zu erteilen, bzw wenn sie nicht vorliegen, den Antrag abzuweisen. Damit unvereinbar ist es, der belBeh die entsprechende Feststellung bzw Beurteilung zu überlassen.

 

Im Übrigen war es auch verfehlt, zur Beurteilung der gem § 23 Abs 3 FSG maßgebenden Sachverhaltsfrage, ob der Antragsteller im Besitz einer - aufrechten - Lenkberechtigung ist, eine Beobachtungsfahrt anzuordnen:

 

Nach dem iSd §§ 46 AVG, 17 VwGVG auch für das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten maßgebenden Grundsatz der Unbeschränktheit der Beweismittel kommt als Beweismittel zwar alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhalts geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist. Wie oben ausgeführt, kann demnach der Beweis für das Bestehen einer ausländischen Lenkberechtigung (abgesehen von der Vorlage eines entsprechenden Führerscheins) auch auf jede andere Weise erbracht werden, die geeignet ist, die Überzeugung vom Besitz der Lenkberechtigung zu verschaffen. Maßgebliches Beweisthema iSd § 23 Abs 3 FSG ist das Bestehen einer ausländischen Lenkberechtigung, nicht aber das Vorhandensein der für das Lenken eines Kraftfahrzeugs erforderlichen - theoretischen und praktischen - Fähigkeiten (hinzuweisen ist im gegebenen Zusammenhang darauf, dass für die Erteilung einer Lenkberechtigung nach § 23 Abs 3 FSG ("Führerscheinumschreibung") zusätzlich die gesundheitliche Eignung - Abs 3 Z 3 - sowie gegebenenfalls die fachliche Befähigung - Abs 3 Z 4 - nachzuweisen ist). Vor diesem Hintergrund kann eine Beobachtungsfahrt nach § 9 FSG nicht als geeignetes Beweismittel für die maßgebliche Beweisfrage, ob der Antragsteller im Besitz einer (ausländischen) Lenkberechtigung ist, angesehen werden.