OGH: Haftung iZm Risikosportarten (hier: Canyoning)
Im vorliegenden Fall steht fest, dass der Kläger in der Vergangenheit zwar noch nicht am Canyoning teilgenommen hatte, wohl aber an Schitouren, Klettersteigen und Rafting-Touren; weiters hatte er auch bereits Sprünge in natürliche Gewässer aus rund 5 m Höhe gemacht; die Schluchtenführerin wies den Kläger am Beginn der Tour ua in die richtige Sprungdurchführung ein; an der Sprungstelle wies sie auf die richtige Einsprungstelle hin; ein expliziter Hinweis auf den unter Wasser liegenden Felsvorsprung war aus Sachverständigensicht nicht notwendig; die Verletzung des Klägers resultiert daraus, dass er nicht an die vorgesehene Einsprungstelle, sondern zu kurz sprang; ein korrekter Sprung wäre ihm möglich gewesen; der Kläger entschied sich freiwillig für den Sprung; er hätte ihn auch umgehen können; wenn die Vorinstanzen bei dieser Sachlage übereinstimmend davon ausgingen, dass die Beklagte keine Sorgfaltswidrigkeit zu vertreten hat, ist darin keine vom OGH im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung zu erblicken, zumal die Sorgfaltsanforderungen nicht überspannt werden dürfen; übertriebene Risikohinweise wären geeignet, die Sportausübung überhaupt unattraktiv zu machen
§§ 1295 ff ABGB
GZ 6 Ob 87/18i, 24.05.2018
OGH: Der OGH hat sich bereits in der E 8 Ob 145/06s mit einem Canyoning-Unfall befasst. Darin wurde ausgeführt, für eine Haftung komme es darauf an, ob der Bergführer nach den konkreten Umständen des Einzelfalls verpflichtet gewesen wäre, den Kläger vor der, für ihn nicht sichtbaren, in das Kesselloch hineinragenden Felsbank zu warnen.
Allgemein gilt, dass eine gewisse, bei den einzelnen Sportarten mehr oder weniger große und verschiedenartig bedingte Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit der Sportausübenden im Wesen des Sports begründet ist und das notwendigerweise damit verbundene Risiko für die körperliche Unversehrtheit der daran teilnehmenden Personen daher gebilligt wird. Wer an einer sportlichen Veranstaltung teilnimmt, nimmt das damit verbundene in der Natur der Veranstaltung liegende Risiko auf sich und handelt soweit auf eigene Gefahr. Wer sich einer ihm bekannten oder erkennbaren Gefahr aussetzt, etwa durch Teilnahme an gefährlichen Veranstaltungen, dem wird unter dem Aspekt des Handelns auf eigene Gefahr eine Selbstsicherung zugemutet.
Allein aus der Tatsache der Teilnahme an einer mit gewissen Risiken behafteten Sportveranstaltung ist allerdings keineswegs ein Verzicht auf Schadenersatzansprüche anzunehmen. Vielmehr trifft den Betreiber und Veranstalter einer Risikosportart jedenfalls eine entsprechende Sorgfalts- und Aufklärungspflicht über die Sicherheitsrisiken betreffenden Umstände; nur so wird der Teilnehmer nämlich in die Lage versetzt, diese auch ausreichend und umfänglich abzuschätzen, wobei die Schilderung, Aufklärung und Beratung (Belehrung) so konkret, umfassend und instruktiv zu erfolgen hat, dass sich der hievon Angesprochene der (möglichen) Gefahren bewusst wird und diese eigenverantwortlich abzuschätzen in der Lage ist.
Wird demgegenüber dem Sportler vom Veranstalter eine gewisse Gefahrlosigkeit der Sportausübung signalisiert und ist dem unerfahrenen Sportler „überhaupt nicht erkennbar“, dass die konkrete Situation relativ schwierig und damit gefährlich ist, so scheidet der Haftungsausschluss des Handelns auf eigene Gefahr aus.
Ausführlich hat sich der OGH zuletzt in der E 8 Ob 94/17g iZm der Fahrt auf einer „Banane“ mit den dargestellten Grundsätzen befasst und diese wie folgt zusammengefasst: „Nach der Rsp muss ein Sportveranstalter, va bei einer Risikosportart, auf alle typischen, für ihn erkennbaren Sicherheitsrisiken hinweisen. [...] Die gebotene Aufklärung hat den Teilnehmer in die Lage zu versetzen, die Sicherheitsrisiken ausreichend und umfänglich abzuschätzen, wobei die Aufklärung so konkret, umfassend und instruktiv zu erfolgen hat, dass sich der Teilnehmer der möglichen Gefahren bewusst wird und diese eigenverantwortlich abschätzen kann. Die Aufklärungspflicht ist demnach umso strenger, je gefährlicher eine Sportart ist und je weniger damit zu rechnen ist, dass sich der Teilnehmer der Gefahrenlage bewusst ist. Die Aufklärungspflicht bezieht sich nicht auf die Art der Verletzungen, die entstehen können, sondern vielmehr auf typische Gefahren, die mit der konkreten sportlichen Aktivität verbunden sind. Entscheidend ist, ob sich der Kläger in der zu beurteilenden Situation dieser Gefahren ausreichend bewusst war oder ob er bei einem anderen Kenntnisstand von der Sportausübung Abstand genommen hätte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass den Sportveranstalter eine besondere Aufklärungspflicht nicht mehr trifft, wenn der Teilnehmer mit dem Wesen der Sportart bzw sportlichen Aktivität einigermaßen vertraut und ihm die allfällige erhöhte Gefährdung bewusst sein musste, sofern dies für den Veranstalter erkennbar war. Das geforderte Bewusstsein ist im Allgemeinen dann anzunehmen, wenn der Teilnehmer die Risikosportart bzw gefährliche sportliche Aktivität bereits vor dem Unfall ausgeübt hat. Zudem gilt, dass vertragliche Verhaltens- und Sorgfaltspflichten ebenso wie nebenvertragliche Schutz- und Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit sportlichen Aktivitäten – genauso wie allgemeine Verkehrssicherungspflichten – nicht überspannt werden dürfen, weil sportliche Aktivitäten grundsätzlich gefördert und nicht unmöglich gemacht werden sollen.“
Einer besonderen Befassung des OGH mit jeder erdenklichen Risiko- oder Extremsportart bedarf es – soweit die Grundsätze der Judikatur zum „Handeln auf eigene Gefahr“ richtig angewendet wurden – im Allgemeinen nicht. Die Anwendung der dargestellten Grundsätze hängt vielmehr von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab.
Im vorliegenden Fall steht fest, dass der Kläger in der Vergangenheit zwar noch nicht am Canyoning teilgenommen hatte, wohl aber an Schitouren, Klettersteigen und Rafting-Touren; weiters hatte er auch bereits Sprünge in natürliche Gewässer aus rund 5 m Höhe gemacht. Die Schluchtenführerin wies den Kläger am Beginn der Tour ua in die richtige Sprungdurchführung ein. An der Sprungstelle wies sie auf die richtige Einsprungstelle hin; ein expliziter Hinweis auf den unter Wasser liegenden Felsvorsprung war aus Sachverständigensicht nicht notwendig. Die Verletzung des Klägers resultiert daraus, dass er nicht an die vorgesehene Einsprungstelle, sondern zu kurz sprang; ein korrekter Sprung wäre ihm möglich gewesen. Der Kläger entschied sich freiwillig für den Sprung; er hätte ihn auch umgehen können.
Wenn die Vorinstanzen bei dieser Sachlage übereinstimmend davon ausgingen, dass die Beklagte keine Sorgfaltswidrigkeit zu vertreten hat, ist darin keine vom OGH im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung zu erblicken, zumal nach der oben dargestellten Judikatur die Sorgfaltsanforderungen nicht überspannt werden dürfen; übertriebene Risikohinweise wären geeignet, die Sportausübung überhaupt unattraktiv zu machen.
Entgegen der Auffassung der Revision lässt sich der E 8 Ob 145/06s nicht entnehmen, dass stets ein Hinweis auf einen im Wasser befindlichen Felsvorsprung geboten ist, sondern kommt es vielmehr darauf an, ob eine solche Warnung geboten war. Dass dies im hier vorliegenden Sachverhalt nicht der Fall war, haben die Vorinstanzen schlüssig aus dem Sachverständigengutachten abgeleitet, wonach ein solcher (zusätzlicher) Hinweis deshalb in der Praxis nicht zielführend ist, weil negative Handlungsanweisungen vom Gehirn oft fehlverarbeitet werden und die Fehlerquote dann höher ist als bei positiven Handlungsanweisungen. Bei dieser Sachlage ist es aber nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanzen es nicht als Sorgfaltsverstoß angesehen haben, dass die Schluchtenführerin dem Kläger zwar die richtige Einsprungstelle bezeichnet hat, ihn aber nicht gesondert auf den Felsvorsprung im Wasser hingewiesen hat.