OGH: Zur Videoüberwachung bei Verpixelung des Nachbargrundstücks
Der Anspruch des Nachbarn, eine auf sein Grundstück gerichtete Überwachungskamera so einzustellen, dass hievon sein Grundstück nicht umfasst ist, ist berechtigt, wenn die konkrete Gefahr besteht, dass die Überwachungskamera unbemerkt in Betrieb gesetzt werden könnte
§ 16 ABGB, Art 8 EMRK
GZ 3 Ob 195/17y, 21.03.2018
OGH: Der OGH bejaht auch dann, wenn die Überwachungskamera nicht an ein Betriebssystem angeschlossen und bislang auch nicht in Betrieb gewesen ist, den Anspruch des klagenden Nachbarn auf Abwehr von Eingriffen in seine Privatsphäre, und zwar unabhängig davon, ob sie sich im Betrieb befindet oder nicht, weil der Kläger insoweit keinerlei Kontrollmöglichkeit hat. Auch wenn die Kamera derzeit nicht betriebsbereit ist, liegt keine bloß abstrakte Befürchtung eines möglichen Missbrauchs vor, die für sich allein das Begehren nicht rechtfertigen würde, wenn nach den Umständen des Falls die konkrete Befürchtung besteht, dass die Kamera jederzeit und vom Nachbarn unbemerkt angeschlossen und in Betrieb gesetzt werden könnte. Die Eingriffsgefahr ist somit zu bejahen, wenn die konkrete Befürchtung besteht, die Beobachtung mit der Kamera könnte einsetzen.
IZm Videokameras bzw (nicht als solche erkennbaren) Videokameraattrappen wurde auch schon ausgesprochen, es sei entscheidend, dass Nachbarn/Hausbewohner durch vermeintliche Überwachungsmaßnahmen nicht gestört oder belästigt werden. Muss sich ein solcher immer kontrolliert fühlen, wenn er das Haus betritt oder verlässt oder sich in seinem Garten aufhält, bewirken Überwachungsmaßnahmen, selbst wenn das Gerät nur eine Attrappe einer Videokamera sein sollte, einen Eingriff in die Privatsphäre.
Ob für einen unbefangenen, objektiven Betrachter eine begründete Befürchtung des Überwachtwerdens besteht, richtet sich nach den örtlichen Gegebenheiten und der Situierung und Ausrichtung der (vermeintlichen) Überwachungsanlage, somit nach den konkreten Umständen des Einzelfalls. Die Verpixelung von Teilen der von den Videokameras erfassten Bereiche außerhalb des Grundstücks der Beklagten tritt hier nur am Bildschirm des Beklagten in Erscheinung und ist daher für einen unbefangenen, objektiven Betrachter von außen nicht erkennbar. Dem Kläger ist unter diesen Umständen die begründete konkrete Befürchtung zuzugestehen, dass er sich im Überwachungsbereich befindet und von den Aufnahmen bzw Aufzeichnungen erfasst wird. Bei der gegebenen Sachlage, die wegen der wechselseitigen Vorwürfe und der daraus resultierenden behördlichen und gerichtlichen Streitigkeiten einen eskalierenden Nachbarschaftsstreit erkennen lässt, ist darüber hinaus auch eine konkrete Eingriffsgefahr zu bejahen. Es besteht die - nicht bloß abstrakte - Befürchtung, dass die Aufzeichnung jederzeit und vom klagenden Nachbarn unbemerkt durch Aufhebung der Verpixelung auch auf die erfassten Bereiche des klägerischen Grundstücks erweitert werden könnte. Deshalb ist auch ein Eingriff in seine Privatsphäre durch bestehenden Überwachungsdruck grundsätzlich gegeben.