25.06.2018 Zivilrecht

OGH: Zur Frage, ob die FIS-Regel 5 einen Nachrang des Bergauffahrenden in Gegenverkehrsbereichen normiert

Dass die FIS-Regel 5 für die Begegnung in einem Gegenverkehrsbereich nicht einschlägig ist, ergibt sich sowohl aus ihrem Wortlaut als auch dem damit verfolgten Zweck; ds mag zwar richtig sein, dass die Klägerin bei einer festgestellten Steigung zwischen 6° und 3° streng genommen „bergauf“ fuhr, die von der FIS-Regel 5 behandelte Gefahrensituation eines plötzlich auftretenden „Gegenverkehrs“ war damit aber nicht verwirklicht; die Piste wurde im Unfallsbereich aufgrund der örtlichen Gegebenheiten vielmehr grundsätzlich in beide Richtungen befahren, weder die Klägerin noch der Beklagte bewegten sich also gegen die allgemeine Fahrtrichtung


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Schipiste, bergauffahrend, Gegenverkehrsbereich, Nachrang, Rücksichtnahme auf Andere
Gesetze:

 

§§ 1295 ff ABGB, FIS-Regel 5, FIS-Regel 1

 

GZ 5 Ob 11/18f, 15.05.2018

 

OGH: Die von den verschiedenen Institutionen und Autoren ausgearbeiteten Verhaltensvorschriften für Schifahrer wie die Bestimmungen des vom österreichischen Kuratorium für Sicherung vor Berggefahren erarbeiteten Pistenordnungsentwurfs (POE-Regeln) oder die FIS-Regeln sind keine gültigen Rechtsnormen, insbesondere auch nicht Gewohnheitsrecht. Ihnen kommt aber als Zusammenfassung der Sorgfaltspflichten, die bei der Ausübung des alpinen Schisports im Interesse aller Beteiligten zu beachten sind, und bei der Anwendung des allgemeinen Grundsatzes, dass sich jeder so verhalten muss, dass er keinen anderen gefährdet, erhebliche Bedeutung zu.

 

Nach der FIS-Regel 5 (Einfahren, Anfahren und hangaufwärts Fahren) muss jeder Skifahrer und Snowboarder, der in eine Skiabfahrt einfahren, nach einem Halt wieder anfahren oder hangaufwärts schwingen oder fahren will, sich nach oben und unten vergewissern, dass er dies ohne Gefahr für sich und andere tun kann. Der Unfall hier ereignete sich in einem – auch nach dem Standpunkt des Beklagten „echten“ – Gegenverkehrsbereich. Dass die FIS-Regel 5 für die Begegnung in einem solchen Gegenverkehrsbereich nicht einschlägig ist, ergibt sich sowohl aus ihrem Wortlaut als auch dem damit verfolgten Zweck. Die FIS-Regel 5 ist Ausdruck des Gedankens, dass denjenigen, der sich in atypischer Weise entgegen der allgemeinen Fahrtrichtung bewegt und so eine Gefahr begründet, die andere Pistenbenützer häufig überrascht, besondere Sorgfaltspflichten treffen. Das Bergauffahren auf der Piste ist ein ungewöhnliches Fahrmanöver mit erhöhtem Kollisionsrisiko. Wer ein solches kollisionsgefährliches Fahrmanöver ausführen will, muss sich daher vorher von der Ungefährlichkeit seines Fahrverhaltens überzeugen. Es mag zwar richtig sein, dass die Klägerin bei einer festgestellten Steigung zwischen 6° und 3° streng genommen „bergauf“ fuhr, die von der FIS-Regel 5 behandelte Gefahrensituation eines plötzlich auftretenden „Gegenverkehrs“ war damit aber nicht verwirklicht. Die Piste wurde im Unfallsbereich aufgrund der örtlichen Gegebenheiten vielmehr grundsätzlich in beide Richtungen befahren, weder die Klägerin noch der Beklagte bewegten sich also gegen die allgemeine Fahrtrichtung.

 

Nach der FIS-Regel 1 (Rücksichtnahme auf andere Schifahrer und Snowboarder) und auch schon nach allgemeinen Grundsätzen muss jeder Schifahrer und Snowboarder sich so verhalten, dass er keinen anderen gefährdet oder schädigt. In neuralgischen Pistenbereichen, wie eben etwa einem Gegenverkehrsbereich, besteht daher eine Verpflichtung zur besonderen Vorsicht und Aufmerksamkeit sowie zur Beobachtung des „entgegenkommenden Verkehrs“.