04.06.2018 Zivilrecht

OGH: § 9 EKHG – zur Betriebsgefahr eines Schlepplifts und zur Frage, ob natürliche Böschungen am Ende einer Ausstiegsstelle abgesichert werden müssen

Im vorliegenden Fall bewegte sich der Lift nach dem Erkennen eines Problems durch den Liftwart aufgrund von Reaktions- und Nachlaufzeit noch mindestens 10 m weiter, was der gesamten Länge der Ausstiegsstelle entspricht; der Liftwart kann den Lift somit nur bei unverzüglicher Reaktion auf ein schon am Beginn der Ausstiegsstelle erkennbares Problem rechtzeitig anhalten; daher wird ein Benutzer, der sich nicht vom Bügel lösen kann, zwangsläufig in die Böschung gezogen, wenn das Problem erst später erkennbar wird; die Situation war damit deutlich gefährlicher als jene in 2 Ob 14/08k; das spricht umso mehr für strenge Anforderungen an die Absicherung des Endes der Ausstiegsstelle; dabei ist nicht erkennbar, weshalb eine steile natürliche Böschung mit einem Bügelfang anders zu beurteilen wäre als eine Holzkonstruktion; sollte eine Abpolsterung tatsächlich nach „kurzer Zeit“ ihre Wirkung verlieren, würde ein dem Maßstab des § 9 Abs 2 EKHG entsprechender Liftbetreiber dem durch Wahl eines besseren Materials oder durch häufigeren Tausch entgegenwirken; Unterlässt er das, hat er für die Gefährlichkeit des von ihm betriebenen Schlepplifts einzustehen


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Gefährdungshaftung, Betriebsgefahr eines Schlepplifts, natürliche Böschung am Ende einer Ausstiegsstelle
Gesetze:

 

§ 9 EKHG

 

GZ 2 Ob 2/18k, 22.03.2018

 

OGH: Unter „jede[r] nach den Umständen des Falles gebotene[n] Sorgfalt“ iSv § 9 Abs 2 EKHG ist die äußerste nach den Umständen des Falls mögliche Sorgfalt zu verstehen. Das konkrete Ausmaß hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Das gilt auch für die Anforderungen an die Gestaltung der Ausstiegsstelle eines Schlepplifts.

 

Die Betriebsgefahr eines Schlepplifts manifestiert sich in besonderer Weise in dessen Ausstiegsbereich. Aus diesem Grund hat der Senat in 2 Ob 14/08k die Auffassung der Vorinstanz gebilligt, dass der Entlastungsbeweis nicht erbracht sei, wenn ein Liftbetreiber eine Holzkonstruktion am Ende einer Ausstiegsstelle nicht durch Verkleidung mit „weichen“ Materialien „abgepolstert“ habe. Ein rechtzeitiges Anhalten des Lifts sei nur möglich gewesen, wenn sich bereits im ersten Drittel der Ausstiegsstelle eine „Reaktionsaufforderung“ für den Liftwart ergeben habe. Typischerweise träten Probleme beim Aussteigen aber erst später auf.

 

Im vorliegenden Fall bewegte sich der Lift nach dem Erkennen eines Problems durch den Liftwart aufgrund von Reaktions- und Nachlaufzeit noch mindestens 10 m weiter, was der gesamten Länge der Ausstiegsstelle entspricht. Der Liftwart kann den Lift somit nur bei unverzüglicher Reaktion auf ein schon am Beginn der Ausstiegsstelle erkennbares Problem rechtzeitig anhalten. Daher wird ein Benutzer, der sich nicht vom Bügel lösen kann, zwangsläufig in die Böschung gezogen, wenn das Problem erst später erkennbar wird. Die Situation war damit deutlich gefährlicher als jene in 2 Ob 14/08k. Das spricht umso mehr für strenge Anforderungen an die Absicherung des Endes der Ausstiegsstelle. Dabei ist nicht erkennbar, weshalb eine steile natürliche Böschung mit einem Bügelfang anders zu beurteilen wäre als eine Holzkonstruktion. Sollte eine Abpolsterung tatsächlich nach „kurzer Zeit“ ihre Wirkung verlieren, würde ein dem Maßstab des § 9 Abs 2 EKHG entsprechender Liftbetreiber dem durch Wahl eines besseren Materials oder durch häufigeren Tausch entgegenwirken. Unterlässt er das, hat er für die Gefährlichkeit des von ihm betriebenen Schlepplifts einzustehen.