07.05.2018 Zivilrecht

OGH: Zum Kontaktrecht des (angeblich) leiblichen Vaters

Unter einem besonderen familiären Verhältnis iSd § 188 Abs 2 Satz 1 ABGB ist nicht bloß das Bestehen der biologischen Vaterschaft allein zu verstehen, sondern es bedarf weiterer, dort genannter faktischer Elemente


Schlagworte: Familienrecht, minderjähriges Kind, biologischer Vater, rechtlicher Vater, Kontaktrecht, Besuchsrecht, Recht auf Privat- und Familienleben, Kindeswohl, Antragslegitimation, doppelrelevante Tatschachen
Gesetze:

 

§ 188 ABGB, § 138 ABGB, Art 8 MRK

 

GZ 3 Ob 130/17i, 21.02.2018

 

OGH: Wenn persönliche Kontakte des mj Kindes mit einem hiezu bereiten Dritten dem Wohl des Kindes dienen, hat das Gericht gem § 188 Abs 2 ABGB auf Antrag des Kindes, eines Elternteils oder des Dritten, sofern dieser zu dem Kind in einem besonderen persönlichen oder familiären Verhältnis steht oder gestanden ist, die zur Regelung der persönlichen Kontakte nötigen Verfügungen zu treffen. Solche Verfügungen hat es auf Antrag des Kinder- und Jugendhilfeträgers oder von Amts wegen zu treffen, wenn ansonsten das Kindeswohl gefährdet wäre. Es verstößt nämlich gegen Art 8 EMRK (Recht auf Privat- und Familienleben), wenn nicht geprüft werden kann, ob ein Kontakt zwischen dem Kind und dem leiblichen (aber nicht rechtlichen) Vater dem Kindeswohl entspricht. Daher wird auch Dritten, die in einem besonderen persönlichen oder familiären Verhältnis zum Kind stehen oder gestanden sind, ein Antragsrecht (und somit Parteistellung in einem Verfahren) eingeräumt. Entscheidungsmaßstab ist bei Vorliegen eines Antrags das Wohl des Kindes und nicht dessen Gefährdung. Wegen der Regelungen des Kontaktrechts zu den Eltern in § 187 ABGB und Großeltern in § 188 Abs 1 ABGB sind unter Dritten jedenfalls andere Personen als die Eltern und Großeltern zu verstehen.

 

Inhaltliche Voraussetzung für die Regelungen des Kontaktrechts zu Dritten ist ua, dass der Dritte in einem qualifizierten Verhältnis zum Kind steht oder gestanden ist sowie zu persönlichen Kontakten mit dem Kind bereit ist, und dass dies dem Wohl des Kindes dient (§ 188 Abs 2 Satz 1 ABGB). Für ein solches Kontaktrecht sind stets das Kind und jeder Elternteil antragslegitimiert, Dritte aber nur dann, wenn sie zu dem Kind in einem besonderen persönlichen oder familiären Verhältnis stehen oder gestanden sind. Bei diesem Verhältnis handelt es sich um eine sog doppelrelevante Tatsache, weil ihm sowohl in materiell-rechtlicher als auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht Bedeutung zukommt.

 

Die biologische Verwandtschaft zwischen Vater und Kind alleine ist aber - ohne weitere rechtliche oder faktische Elemente, die auf eine enge persönliche Beziehung hinweisen - nicht ausreichend, um den Schutz des Art 8 MRK auszulösen. Zentrale Tatbestandsvoraussetzung eines Kontaktrechts des leiblichen Vaters ist, dass es dem Kindeswohl dient. Maßgebliche Kriterien iSd § 138 ABGB sind idZ va die Fürsorge, Geborgenheit und der Schutz der seelischen Integrität (Z 2), die Wertschätzung und Akzeptanz des Kindes durch die Eltern (Z 3), verlässliche Kontakte des Kindes zu beiden Elternteilen und wichtige Bezugspersonen sowie sichere Bindungen des Kindes zu diesen Personen (Z 9), die Vermeidung von Loyalitätskonflikten und Schuldgefühlen des Kindes (Z 10) und die Wahrung der Rechte, Ansprüche und Interessen des Kindes (Z 11).