30.04.2018 Zivilrecht

OGH: Vertragliche Übernahme der Kosten der gesetzlich und behördlich vorgeschriebenen Überprüfungen des Bestandgegenstands (Gastank) – gröbliche Benachteiligung iSd § 879 Abs 3 ABGB?

Bei den gesetzlich und behördlich vorgeschriebenen wiederkehrenden Überprüfungen der Gasanlage der Bestandnehmerin handelt es sich nicht um typische Bestandgeberpflichten; so ist im Zweifel der Bestandgeber für die Erlangung baurechtlicher Bewilligungen, insbesondere Benützungsbewilligungen, verantwortlich, nicht aber für (beispielsweise) Betriebsanlagengenehmigungen; im Übrigen entspricht es auch dem dispositiven Recht außerhalb des Vollanwendungsbereichs des MRG, dass die Erwirkung der zum bedungenen Gebrauch erforderlichen Bewilligungen vertraglich generell dem Bestandnehmer überbunden werden können; § 5 Abs 8 des Vertrags regelt daher nicht die vertragliche Überwälzung von Kosten der Instandhaltung (Erhaltung) des Bestandgegenstands auf die Bestandnehmerin, sondern stellt lediglich klar, dass diese die Kosten der wiederkehrenden gesetzlichen und behördlichen Überprüfungen der von ihr betriebenen Gasanlage auch insofern zu tragen hat, als von dieser Prüfung (auch) die Bestandsache erfasst ist; bereits ausgehend davon liegt der von der Revisionswerberin behauptete Verstoß dieser Vertragsbestimmung gegen § 879 Abs 3 ABGB nicht vor


Schlagworte: Bestandrecht, vertragliche Übernahme der Kosten der gesetzlich und behördlich vorgeschriebenen Überprüfungen des Bestandgegenstands (Gastank), Instandhaltungsarbeiten, keine gröbliche Benachteiligung
Gesetze:

 

§ 879 ABGB, § 1096 ABGB

 

GZ 10 Ob 69/17w, 20.02.2018

 

OGH: Die Revisionswerberin argumentiert zentral damit, dass § 5 Abs 8 des Vertrags gegen § 879 Abs 3 ABGB verstoße, weil die Kosten der gesetzlich und behördlich vorgeschriebenen wiederkehrenden Überprüfungen des Bestandgegenstands nicht Betriebskosten, sondern Kosten der Erhaltung des Bestandgegenstands seien, die dem Kunden nicht generell überwälzt werden dürften. Die erforderlichen behördlichen Bewilligungen und der sichere Betrieb gehörten zur Erhaltung des Bestandgegenstands, daher auch die hier vorzunehmenden gesetzlichen Prüf- und Wartungspflichten. Die gesetzlichen Vorschriften über die Überprüfung von Gasanlagen seien neutral formuliert und normierten nicht, wer letztlich die Kosten der Überprüfung zu tragen habe. Der Betrieb des Gastanks sei der vereinbarte Gegenstand des Vertrags und könne daher die Überwälzung der dafür erforderlichen Erhaltungskosten nicht rechtfertigen. Der vorliegende Fall gleiche dem zu 7 Ob 90/13f entschiedenen: Der bloße Umstand, dass sich der Kunde die Kesselprüfstelle aussuchen könne, sei keine sachliche Rechtfertigung der Klausel, weil Prüfungen nach Art und Umfang gesetzlich normiert seien und auch nur von dazu autorisierten Stellen durchgeführt werden könnten.

 

Nach § 879 Abs 3 ABGB ist eine in AGB oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung, die nicht eine der beiderseitigen Hauptleistungen festlegt, jedenfalls nichtig, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände des Falls einen Teil gröblich benachteiligt. Dabei wird iSe beweglichen Systems auf Ausmaß, Grund und sachliche Rechtfertigungen der zu Lasten des Kunden vorgenommenen Abweichungen vom dispositiven Recht ebenso Rücksicht genommen, wie auf das Ausmaß der verdünnten Willensfreiheit des Vertragspartners, der den für ihn nachteiligen Vertragsbestandteil nicht verhindern kann. Eine gröbliche Benachteiligung ist jedenfalls schon dann anzunehmen, wenn die dem Vertragspartner zugedachte Rechtsposition im auffallenden Missverhältnis zur Rechtsposition des anderen steht, wenn also keine sachlich berechtigte Abweichung von der für den Durchschnittsfall getroffenen Norm des nachgiebigen Rechts vorliegt.

 

Zu beurteilen sind im vorliegenden Verfahren ausschließlich Kosten, die der Bestandnehmerin infolge der von ihr gesetzlich oder behördlich vorgesehenen Überprüfungen der Gasanlage entstanden sind. Dabei handelt es sich entgegen der Rechtsansicht der Revisionswerberin nicht um Instandhaltungsarbeiten iSd § 1096 Abs 1 Satz 1 ABGB (der Anwendungsbereich des MRG ist unstrittig nicht eröffnet).

 

Der Bestandvertrag als Dauerschuldverhältnis ist durch einen fortlaufenden Leistungsaustausch charakterisiert. Der Bestandgeber schuldet daher nicht nur die Übergabe im vereinbarten Zustand, sondern nach dem klaren Wortlaut des § 1096 Abs 1 Satz 1 ABGB auch – nach dem vereinbarten Verwendungszweck – die Erhaltung im brauchbaren Zustand und die Verschaffung des störungsfreien Gebrauchs.

 

Nach den für den OGH bindenden Feststellungen dienten die hier zu behandelnden Überprüfungen nicht der Erhaltung der Bestandsache, sondern der Kontrolle der Funktion und der Sicherheit der gesamten von der Bestandnehmerin betriebenen Gasanlage (zB die Prüfung der Einhaltung der Schutzzone). Die Vorinstanzen haben darauf hingewiesen, dass die Pflicht zur Durchführung der wiederkehrenden Prüfungen der Gasanlage gem § 12 bgld GSG den Betreiber trifft. Das war hier die Kundin, die diese Überprüfungen auch dann auf ihre Kosten vornehmen lassen hätte müssen, wenn sie den Gastank von der Beklagten gekauft hätte.

 

Der Begriff der „Gasanlage“ iSd § 2 Z 2 bgld GSG umfasst „ortsfeste oder mobile Anlagen zur Erzeugung, Lagerung, Leitung oder Verwendung brennbarer Gase einschließlich der Abgasführung bis zur Einmündung in den Abgasfang – bei geschlossenem Verbrennungsraum einschließlich der Luft und Abgasführung –, der Schutzzone und des Schutzabstandes“. „Gasgeräte“ iSd § 2 Z 3 bgld GSG sind Teile einer Gasanlage, die insbesondere ua auch zum Heizen verwendet werden. Bereits nach dem unstrittig feststehenden Sachverhalt bezogen sich die von der Bestandnehmerin vorgenommenen gesetzlichen Überprüfungen daher auch auf Teile ihrer Gasanlage, die nicht von der Beklagten in Bestand gegeben wurden (Kessel, Radiatoren) und die schon daher nicht von der Beklagten zu tragen sind. Mangels Erheblichkeit liegt daher die in diesem Zusammenhang von der Beklagten in der Revisionsbeantwortung geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wegen Nichtbehandlung ihrer Beweisrüge in der Berufungsbeantwortung nicht vor.

 

Die Behebung von Mängeln war nicht Gegenstand dieser wiederkehrenden Prüfungen. Darauf kommt es auch nicht an, weil § 5 Abs 8 nicht die Überwälzung von Kosten für die Behebung allfälliger Mängel zum Gegenstand hat, die sich aufgrund der durchgeführten Prüfungen allenfalls zeigen, sondern lediglich die Kosten dieser gesetzlich und behördlich vorgeschriebenen Überprüfungen des Bestandgegenstands selbst.

 

Dem Argument der Revisionswerberin, dass die Beklagte als Bestandgeberin im Rahmen ihrer Erhaltungspflicht auch sicherheitstechnische Belange zu beachten habe, weil der Bestandgegenstand andernfalls nicht mehr zum vertraglich bedungenen Gebrauch tauglich wäre, hält die Beklagte in der Revisionsbeantwortung zutreffend entgegen, dass es sich bei den gesetzlich und behördlich vorgeschriebenen wiederkehrenden Überprüfungen der Gasanlage der Bestandnehmerin nicht um typische Bestandgeberpflichten handelt. So ist im Zweifel der Bestandgeber für die Erlangung baurechtlicher Bewilligungen, insbesondere Benützungsbewilligungen, verantwortlich, nicht aber für (beispielsweise) Betriebsanlagengenehmigungen. Im Übrigen entspricht es auch dem dispositiven Recht außerhalb des Vollanwendungsbereichs des MRG, dass die Erwirkung der zum bedungenen Gebrauch erforderlichen Bewilligungen vertraglich generell dem Bestandnehmer überbunden werden können.

 

§ 5 Abs 8 des Vertrags regelt daher nicht die vertragliche Überwälzung von Kosten der Instandhaltung (Erhaltung) des Bestandgegenstands auf die Bestandnehmerin, sondern stellt lediglich klar, dass diese die Kosten der wiederkehrenden gesetzlichen und behördlichen Überprüfungen der von ihr betriebenen Gasanlage auch insofern zu tragen hat, als von dieser Prüfung (auch) die Bestandsache erfasst ist. Bereits ausgehend davon liegt der von der Revisionswerberin behauptete Verstoß dieser Vertragsbestimmung gegen § 879 Abs 3 ABGB nicht vor, sodass der Revision nicht Folge zu geben war.