27.04.2018 Fremdenrecht

VwGH: § 21 BFA-VG – unterlassene Durchführung einer mündlichen Verhandlung

Die vom BVwG erkannte Notwendigkeit zur Situation im Herkunftsstaat des Asylwerbers aktuelle Länderberichte einzuholen und die Feststellungen des BFA zu ergänzen, hätte die Durchführung einer mündliche Verhandlung erforderlich gemacht


Schlagworte: Entfall der mündlichen Verhandlung
Gesetze:

 

§ 21 BFA-VG, Art 6 EMRK, Art 47 GRC, AsylG 2005

 

GZ Ra 2017/19/0418, 01.03.2018

 

VwGH: Gem § 21 Abs 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage iVm der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

 

Seit seinem Erkenntnis vom 28. Mai 2014, Ra 2014/20/0017 und 0018, judiziert der VwGH in stRsp , dass für die Beurteilung, ob der Sachverhalt iSd § 21 Abs 7 BFA-VG geklärt erscheint und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach dieser Bestimmung daher unterbleiben kann, folgende Kriterien beachtlich sind:

 

Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das BVwG muss die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

 

Diese Voraussetzungen des Entfalls der mündlichen Verhandlung lagen im vorliegenden Fall in mehrfacher Hinsicht nicht vor. Die revisionswerbenden Parteien sind in ihren Beschwerden den Feststellungen des BFA in den angefochtenen Bescheiden nicht bloß unsubstantiiert entgegen getreten. Das BVwG erkannte das Erfordernis weiterer Erhebungen und richtete zu diesem Zweck Anfragen an Staatendokumentation. Auf der Grundlage der Anfragebeantwortungen wurden im angefochtenen Erkenntnis neue Feststellungen getroffen und die tragenden beweiswürdigenden Erwägungen nicht bloß unwesentlich ergänzt.

 

Der VwGH hat in diesem Zusammenhang bereits klargestellt, dass schon allein die vom BVwG erkannte Notwendigkeit zur Situation im Herkunftsstaat eines Asylwerbers aktuelle Länderberichte einzuholen und die Feststellungen des BFA zu ergänzen, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erforderlich macht. Die im Beschwerdeverfahren eingeräumte Möglichkeit, zum Inhalt solcher Länderberichte schriftlich Stellung zu nehmen, kann die Durchführung einer mündlichen Verhandlung grundsätzlich nicht ersetzen.

 

Die Missachtung der Verhandlungspflicht führt nach der Rsp des VwGH im Anwendungsbereich des Art 6 EMRK und des - wie hier gegeben - Art 47 GRC zur Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, ohne dass die Relevanz dieses Verfahrensmangels geprüft werden müsste.