OGH: Zur Haftung des Insolvenzverwalters iZm Freihandverkauf von Liegenschaften
Da zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags die Behandlung der ImmoESt in der Insolvenz in der Lehre strittig war und eine Rsp noch nicht bestand, kann dem Insolvenzverwalter bei der Zuordnung der ImmoESt zur Sondermasse keine unvertretbare Rechtsansicht vorgeworfen werden
§§ 1295 ff ABGB, § 1298 ABGB, § 1299 ABGB, § 119 IO
GZ 7 Ob 218/17k, 21.02.2018
OGH: Beim Sorgfaltsmaßstab des Insolvenzverwalters ist von der Kenntnis und von Fähigkeiten auszugehen, die bei einem Insolvenzverwalter gewöhnlich vorauszusetzen sind. Den Insolvenzverwalter trifft die Beweislast nach § 1298 ABGB. Ihm obliegt es, zu beweisen, dass er die nach § 1299 ABGB geforderte objektive Sorgfalt bei der Führung seiner Arbeit eingehalten hat. Er haftet aber - wie Sachverständige allgemein - nicht für außergewöhnliche Kenntnisse. Ein Rechtsanwalt haftet seiner Partei gegenüber für Unkenntnis der Gesetze sowie einhelliger LuRsp. Er haftet jedoch nicht für eine unrichtige, aber vertretbare Gesetzesauslegung, auch wenn diese in der Folge vom Gericht nicht geteilt wird; vertretbar ist eine Rechtsmeinung dann, wenn sie in der Rsp und Lehre bereits geäußert wurde. Die Unvertretbarkeit der Rechtsansicht wird dann angenommen, wenn von einer klaren Gesetzeslage ohne sorgfältige Überlegungen und Darlegung der Gründe abgewichen wird. Hat sich zu einer bestimmten Rechtsfrage eine Spruchpraxis noch nicht gebildet und sind die gesetzlichen Bestimmungen nicht vollkommen eindeutig, sondern enthalten sie Unklarheiten über die Tragweite des Wortlauts, so ist dem Rechtsanwalt ein Verschulden nur dann anzulasten, wenn bei pflichtgemäßer Überlegung die von ihm eingehaltene Vorgangsweise nicht mehr als vertretbar bezeichnet werden kann. Die Fehlbeurteilung einer komplizierten Materie kann nicht ohne weiteres als Sorgfaltsverletzung angelastet werden.
Hier stand der Belastung der freihändig verkauften Liegenschaften iHv rund € 2,8 Mio der vom Sachverständigen ermittelte Wert von rund € 2,5 Mio gegenüber, sodass bei günstigem Verkauf ein Überschuss zugunsten der Masse möglich gewesen wäre. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags war die Behandlung der ImmoESt in der Insolvenz in der Lehre strittig und eine Rsp bestand noch nicht.
Zweck des § 119 Abs 5 IO ist, solche Vermögensgegenstände aus der Insolvenzmasse zu lösen und dem Schuldner zur freien Verfügung zu überlassen, deren Verwertung in der Insolvenz beim Vergleich des Aufwands mit dem Erfolg für die Masse offenkundig unwirtschaftlich erscheint, weil kein oder kein nennenswerter Erfolg zu erwarten ist. Dass dem Insolvenzverwalter vor diesem Hintergrund iZm der Zuordnung der Steuerforderung zur Sondermasse keine unvertretbare Rechtsansicht vorgeworfen werden könne, stellt im vorliegenden Einzelfall keine aufzugreifende Fehlbeurteilung dar.