17.04.2018 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Möglichkeiten und Grenzen der Vereinbarkeit variabler Beschäftigungsausmaße von Vertragsbediensteten

Die Berechtigung zur einseitigen Änderung des Dienstvertrags (hier: Herabsetzung des Beschäftigungsausmaßes) bedarf entweder einer ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung oder eines ausdrücklichen Vorbehalts, dem der Dienstnehmer frei von Willensmängeln zugestimmt hat und der auch seine berechtigten Interessen angemessen wahrt; die Rsp, dass eine befristet vereinbarte Erhöhung des Beschäftigungsausmaßes zulässig ist, erlaubt es nicht, das ursprüngliche dienstvertragliche Synallagma einseitig und auf unbestimmte Zeit zu Lasten des Dienstnehmers ändern zu können


Schlagworte: Vertragsbedienstete, Dienstvertrag, variable Beschäftigungsausmaße
Gesetze:

 

§ 4 VBG, § 1151 ABGB

 

GZ 8 ObA 38/17x, 26.01.2018

 

OGH: Die in der Revision angesprochene Frage, ob es der höchstgerichtlichen Rsp folgend zulässig wäre, mit einem Vertragsbediensteten nach dem Stmk MLG 1991 und dem Stmk GVBG eine Teilzeitbeschäftigung ohne Festlegung einer bestimmten Stundenanzahl zu vereinbaren, stellt sich hier nicht. Die Streitteile haben in der geltenden Fassung des Dienstvertrags nämlich ein bestimmtes Beschäftigungsausmaß von 18 Wochenstunden festgelegt. Wesentlich ist hier, was unter der im Folgesatz vereinbarten „jährlichen Neufestsetzung“ zu verstehen ist.

 

Die Formulierung, das vereinbarte Stundenausmaß unterliege jährlich – abhängig von der Lehrfächerverteilung – einer Neufestsetzung, lässt für sich allein nicht erkennen, durch wen und in welcher Form diese erfolgen soll. Ausgehend vom reinen Wortsinn beginnt die Bandbreite der Möglichkeiten bei einer unverbindlichen Absichtserklärung, sie setzt sich fort bei einer Auslegung, dass jährlich nach Festlegung einer geänderten Lehrfächerverteilung in Verhandlungen über eine einvernehmliche Änderung des Stundenausmaßes zu treten ist, bis zu der von der Beklagten vertretenen Auffassung eines einseitigen Änderungsrechts per Weisung.

 

Im Allgemeinen ist eine Berechtigung zur einseitigen Änderung eines Vertrags durch den wirtschaftlich typischerweise stärkeren Teil eine ungewöhnliche, idR den anderen, schwächeren Vertragsteil gröblich benachteiligende Vereinbarung und speziell dem Arbeitsvertragsrecht fremd. Für die Zulässigkeit einer solchen Regelung bedarf sie entweder einer ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung, oder eines ausdrücklichen Vorbehalts, dem der Dienstnehmer frei von Willensmängeln zugestimmt hat und der auch seine berechtigten Interessen angemessen wahrt.

 

Eine gesetzliche Grundlage für die von der Beklagten vertretene Auslegung besteht nicht.

 

Das auf das Vertragsverhältnis noch anzuwendende Stmk MLG 1991 räumt dem Dienstgeber kein Recht ein, ein vereinbartes Teilzeitbeschäftigungsausmaß einseitig zu ändern. Erst das nachfolgende, am 1. 8. 2014 in Kraft getretene Stmk MLG 2014 sieht in seinem § 10 Abs 6 die Möglichkeit einer Herabsetzung des Beschäftigungsausmaßes durch den Dienstgeber vor, wenn sich der Arbeitsumfang nicht nur vorübergehend ändert. Das Gestaltungsrecht nach dieser Bestimmung weicht aber wesentlich von jenem ab, das die Beklagte für sich in Anspruch nimmt. Es setzt nicht nur eine dauerhafte Änderung des Arbeitsumfangs voraus, worunter vorübergehende Schwankungen nicht verstanden werden könnten, sondern eröffnet dem Lehrer, der mit der Änderung nicht einverstanden ist, die Möglichkeit einer privilegierten Selbstkündigung. Im Ergebnis wird durch § 10 Abs 6 Stmk MLG 2014 nichts anderes als die Zulässigkeit einer Änderungskündigung gesetzlich festgeschrieben. Keineswegs kann aber davon gesprochen werden, dass diese Neuregelung den zu Lasten des Vertragslehrers wesentlich weitergehenden Rechtsstandpunkt der Beklagten stützt oder dass dieser den aus der Neuregelung erkennbaren Intentionen des Landesgesetzgebers entsprechen würde.

 

Auch aus den Bestimmungen des subsidiär anzuwendenden Stmk GVBG kann für den Standpunkt der Beklagten nichts gewonnen werden.

 

Nach § 8 Abs 1 Stmk GVBG ist der Dienstvertrag des Vertragsbediensteten schriftlich auszufertigen und von beiden Teilen zu unterschreiben. Er hat zu seiner Gültigkeit ua (§ 8 Abs 1 Z 9) die vereinbarte tägliche oder wöchentliche Normalarbeitszeit zu enthalten. Nach § 8 Abs 3 Stmk GVBG ist jede Änderung der vorgesehenen Beschäftigungsdauer und jede nicht nur vorübergehende Änderung des Beschäftigungsausmaßes oder der Beschäftigungsart, die mit einem Wechsel der Entlohnungsgruppe verbunden ist, durch einen schriftlichen Nachtrag zum Dienstvertrag festzuhalten. Eine einseitige Änderung wesentlicher Vertragsbedingungen ist nicht vorgesehen.

 

Richtig ist, dass nach der Rsp des OGH eine befristete Vereinbarung eines bestimmten Beschäftigungsausmaßes zulässig ist und nicht § 4 Abs 2 Z 6 VBG widerspricht, der eine Festlegung auf Teil- oder Vollzeitbeschäftigung verlangt. Die befristet vereinbarte Erhöhung des Beschäftigungsausmaßes kann aber nicht mit dem vorliegenden Fall verglichen werden, in dem sich die Beklagte darauf beruft, das ursprüngliche dienstvertragliche Synallagma einseitig und auf unbestimmte Zeit zu Lasten der Klägerin ändern zu können.

 

Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts ist daher zutreffend und die Revision nicht berechtigt. Dieses Ergebnis bedeutet entgegen den Revisionsausführungen auch nicht, dass jegliche Änderung des Stundenausmaßes zwischen den Streitteilen unmöglich wäre, sondern dass darüber Einvernehmen erzielt werden muss.