17.04.2018 Zivilrecht

OGH: Zur Frage, ob ein Kontrahierungszwang auch dann besteht, wenn die Bewirtschaftung einer Taxizone auf einem Zivilflughafen an ein Privatunternehmen ausgelagert wird

Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass dann, wenn der Monopolist den Betrieb und die Verwaltung der Taxizone an ein anderes Unternehmen auslagere, dieses andere Unternehmen in die Monopolstellung eintrete und aufgrund der Monopolstellung dem Kontrahierungszwang Rechnung tragen müsse, ist nicht korrekturbedürftig; der Einwand der Beklagten, der Unterbestandvertrag wirke nur inter partes, erweist sich als nicht zielführend, weil er die ihr überbundene Pflicht zur Gleichbehandlung außer Acht lässt; ob der Widerruf der Zufahrtsberechtigung des Klägers wirksam ist, hängt vom Vorliegen eines sachlichen Grundes ab; bei dieser Beurteilung ist anhand einer sorgfältigen Abwägung der einander widerstreitenden Interessen zu prüfen, ob ein ausreichend wichtiger und objektiv nachvollziehbarer Grund für die Auflösung der Gestattungsvereinbarung besteht


Schlagworte: Monopolist, Privatunternehmen, Kontrahierungszwang, Vertragsauflösung, Taxizone, Zivilflughafen, Unterbestandvertrag, Bittleihe
Gesetze:

 

§ 879 ABGB, § 974 ABGB

 

GZ 4 Ob 13/18t, 20.02.2018

 

OGH: Die Pflicht zum Vertragsabschluss wird – außerhalb des Kartellrechts und neben den Fällen eines gesetzlich normierten Kontrahierungszwangs – nach stRsp va dort bejaht, wo ein Unternehmer seine Monopolstellung oder seine marktbeherrschende Stellung durch Verweigerung des Vertragsabschlusses sittenwidrig ausnützt und dem Interessenten zumutbare Ausweichmöglichkeiten fehlen. Kontrahierungszwang besteht also überall dort, wo die faktische Übermacht eines Beteiligten bei bloßer formaler Parität diesem die Möglichkeit der Fremdbestimmung über andere gibt. Faktische Übermacht darf nämlich ganz allgemein nicht in unsachlicher Weise ausgenützt werden. Dies ist aber der Fall, wenn der Vertragsabschluss ohne sachlichen Grund verweigert wird.

 

Eine Pflicht zum Vertragsabschluss besteht demnach nur dann nicht, wenn der Unternehmer für die Weigerung sachlich gerechtfertigte Gründe ins Treffen führen kann. In solchen Fällen kann auch ein Monopolist oder ein marktbeherrschendes Unternehmen nicht gezwungen werden, jeden von einem Dritten gewünschten Vertrag abzuschließen.

 

Kontrahierungszwang besteht auch bei nicht lebensnotwendigen Gütern und trifft nicht nur Gebietskörperschaften oder die öffentliche Hand. Vielmehr kommt es auf eine Monopol- oder marktbeherrschende Stellung bei den konkret angebotenen Leistungen gegenüber jenen potenziellen Interessenten (Abnehmern) an, an die sich das Angebot richtet und die auf die angebotenen Leistungen angewiesen sind.

 

Nach der Rsp besteht Kontrahierungszwang auch in einer zum Abschluss des Vertrags spiegelbildlichen Situation, also bei der Vertragsauflösung. In solchen Fällen muss auch für die Auflösung des Vertrags ein sachlicher Grund vorliegen. Ob dies der Fall ist, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab.

 

Da potenziellen Vertragspartnern von Monopolisten oder marktbeherrschenden Unternehmen im Allgemeinen die Möglichkeit fehlt, einzelne Vertragsbestimmungen in Wahrung ihrer Interessenlage auszuhandeln, steht der Kontrahierungszwang einer (vereinbarten) ordentlichen Kündigung, nicht aber der Auflösung des Vertrags aus einem wichtigen Grund entgegen. Auch das außerordentliche Kündigungsrecht darf aber nicht in unsachlicher Weise ausgeübt werden, bedarf also der sachlichen Rechtfertigung.

 

Zudem steht der Kontrahierungszwang der Qualifikation einer Gestattungsvereinbarung als Prekarium entgegen. Das wesentliche Element der Bittleihe ist – abgesehen von der Unentgeltlichkeit – die jederzeitige Widerruflichkeit durch den Verleiher. Dieser kann die Sache daher nach Willkür zurückfordern. Da im Fall eines Kontrahierungszwangs eine grundlose Vertragsauflösung nicht in Betracht kommt, kann es sich bei einer Gebrauchsüberlassung oder einer Gestattungsvereinbarung auch nicht um ein Prekarium handeln.

 

In dem der E 1 Ob 524/94 zugrunde liegenden Fall verlangte ein Cateringunternehmen von der beklagten Flughafengesellschaft, die auch eine Cateringkonzession hielt, entweder die Übernahme oder die Zulassung von Transporten auf dem Flughafengelände zu den zu beliefernden Flugzeugen. Der OGH sprach in dieser Entscheidung aus, dass ein Kontrahierungszwang der Flughafengesellschaft nur in Bezug auf (potenzielle) Abnehmer der von ihr angebotenen Leistungen (zB Fluglinien oder Fluggäste), nicht aber gegenüber einem Konkurrenten bestehen könne. Zudem wurde in Bezug auf die Cateringleistungen eine Monopolstellung der Flughafengesellschaft verneint, weil die Fluglinien den Caterer frei wählen konnten und die Klägerin nicht gehindert war, Fluglinien zu beliefern.

 

Die von der Beklagten ebenfalls zitierte E 9 Ob 70/00k betrifft einen Tarifzuschlag für (Sonder-)Leistungen außerhalb der – für Luftbeförderungsunternehmen gem § 102 LFG geltenden – Betriebszeiten eines Flughafens. Die Frage, ob die beklagte Flughafenbetreiberin ein Kontrahierungszwang traf, wurde in dieser Entscheidung nicht geprüft, sondern unter Hinweis auf die Monopolstellung der Beklagten als selbstverständlich unterstellt.

 

Beide Entscheidungen sind für den Anlassfall nicht einschlägig.

 

Die Aussage in der E 1 Ob 524/94, dass eine Kontrahierungspflicht für den Monopolisten und für Versorgungsunternehmen der öffentlichen Hand (wie zB für öffentliche Bibliotheken, Museen, Galerien, Ausstellungen oder öffentliche Verkehrsunternehmen) bestehe, ist iSd nunmehr stRsp zu ergänzen. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist es daher unerheblich, ob eine gesetzliche Pflicht zum Anbieten von Versorgungsleistungen besteht. Es kommt auch nicht auf einen Kernversorgungsbereich mit öffentlichen Aufgaben an. Entscheidend ist auch nicht, ob es sich bei der hier fraglichen Taxizone um eine freiwillig eingerichtete Fläche handelt. Schließlich kann der zitierten Entscheidung keine allgemeine Aussage dahin entnommen werden, dass für einen Flughafenbetreiber nicht einmal im Primärbereich („Aviation-Bereich“) durchgehend ein Kontrahierungszwang zu bejahen sei.

 

Im Anlassfall ist zu berücksichtigen, dass die Taxizone auf Privatgrund der Flughafengesellschaft errichtet und mit einer Schrankenanlage versehen ist. Ohne funktionsfähige Geldwertkarte kann in die Taxizone nicht eingefahren werden. Da die ankommenden Fluggäste von den Taxifahrzeugen, die in der Taxizone warten, aufgenommen werden, können die Transportleistungen nicht ohne aufrechte Gestattungsvereinbarung angeboten werden. Davon ausgehend hält sich die Beurteilung der Vorinstanzen, dass die C***** GmbH aufgrund ihrer Monopolstellung ein Kontrahierungszwang treffe, im Rahmen der Rsp. Die Beklagte bezweifelt nicht, dass in diesem Fall die C***** GmbH verpflichtet ist, die sich aus dem Kontrahierungszwang ergebenden Pflichten auf sie als Unterbestandnehmerin zu überbinden.

 

Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass dann, wenn der Monopolist den Betrieb und die Verwaltung der Taxizone an ein anderes Unternehmen auslagere, dieses andere Unternehmen in die Monopolstellung eintrete und aufgrund der Monopolstellung dem Kontrahierungszwang Rechnung tragen müsse, ist nicht korrekturbedürftig. Der Einwand der Beklagten, der Unterbestandvertrag wirke nur inter partes, erweist sich als nicht zielführend, weil er die ihr überbundene Pflicht zur Gleichbehandlung außer Acht lässt.

 

Ob der Widerruf der Zufahrtsberechtigung des Klägers wirksam ist, hängt vom Vorliegen eines sachlichen Grundes ab. Bei dieser Beurteilung ist anhand einer sorgfältigen Abwägung der einander widerstreitenden Interessen zu prüfen, ob ein ausreichend wichtiger und objektiv nachvollziehbarer Grund für die Auflösung der Gestattungsvereinbarung besteht.

 

Der Schlussfolgerung des Berufungsgerichts, dass der von der Beklagten ins Treffen geführte Vorfall vom 8. Jänner 2017 (Beschwerde über mangelhafte Schneeräumung in der Taxizone) keinen sachlichen Grund für den Widerruf der Zufahrtsberechtigung des Klägers bildet, tritt die Beklagte in der Revision nicht entgegen.