10.04.2018 Zivilrecht

OGH: Entziehung der Obsorge iSd § 181 ABGB bei Verhinderung des Kontaktrechts?

Ein allgemeiner Rechtssatz, nach dem einem Elternteil, der eine mangelnde Bindungstoleranz aufweist und sich über einen längeren Zeitraum der Ausübung des Kontaktrechts des anderen Elternteils widersetzt, unter allen Umständen unabhängig vom Alter des Kindes und sonstigen Kriterien die Obsorge zu entziehen wäre, ist der Rsp des OGH nicht zu entnehmen; auch wenn das Erstgericht festgestellt hat, dass die Mutter seit September 2016 immer wieder den Kontakt des Minderjährigen zum Vater verhindert, steht nicht fest, dass dies stets auf ungerechtfertigten Motiven beruht, auch wenn solche immer wieder naheliegen mögen


Schlagworte: Familienrecht, Entziehung der Obsorge, persönliche Kontakte, Verhinderung, Kindeswohl
Gesetze:

 

§ 181 ABGB, § 186 ABGB, § 187 ABGB, § 138 ABGB

 

GZ 1 Ob 43/18g, 21.03.2018

 

OGH: Die Frage, ob die alleinige Obsorge eines Elternteils oder die gemeinsame Obsorge (mit der Mutter oder aber dem Vater als „Domizilelternteil“) dem Wohl des Kindes besser entspricht, kann stets nur nach den besonderen Umständen des Einzelfalls beurteilt werden. Dass dem Rekursgericht, das sich – wie das Erstgericht – insoweit den Empfehlungen der gerichtlich bestellten Sachverständigen angeschlossen hat, eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung unterlaufen wäre, vermag der Revisionsrekurswerber nicht aufzuzeigen. Ihm ist auch entgegenzuhalten, dass Elternrechte – hier das vom Vater eingeforderte Recht auf regelmäßigen Kontakt – gegenüber dem Kindeswohl gegebenenfalls zurückzutreten haben; daran vermag auch das allgemeine Argument nichts zu ändern, das Kind habe einen „verfassungsrechtlichen Anspruch“ auf beide Elternteile.

 

Ein allgemeiner Rechtssatz, nach dem einem Elternteil, der eine mangelnde Bindungstoleranz aufweist und sich über einen längeren Zeitraum der Ausübung des Kontaktrechts des anderen Elternteils widersetzt, unter allen Umständen unabhängig vom Alter des Kindes und sonstigen Kriterien die Obsorge zu entziehen wäre, ist der Rsp des OGH nicht zu entnehmen. Auch wenn das Erstgericht festgestellt hat, dass die Mutter seit September 2016 immer wieder den Kontakt des Minderjährigen zum Vater verhindert, steht nicht fest, dass dies stets auf ungerechtfertigten Motiven beruht, auch wenn solche immer wieder naheliegen mögen.

 

Andererseits würde die Trennung des Kindes von der Mutter, die es bisher gut versorgt hat, nach den auf dem Sachverständigengutachten beruhenden Feststellungen sehr wahrscheinlich ein schweres Bindungstrauma auslösen. Die Einschränkung der Erziehungsfähigkeit der Mutter sei auch nicht als derart schwer einzuschätzen, dass deshalb der Entzug der Obsorge gerechtfertigt wäre.

 

Dass es insgesamt zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt aus der Sicht des Kindeswohls geboten gewesen wäre, der Mutter die Obsorge zur Gänze zu entziehen oder dessen Hauptbetreuung zum Vater zu verlegen, vermag der Revisionsrekurswerber, der insbesondere auf die Gefahr einer Traumatisierung des Kindes, das ihn jetzt längere Zeit nicht erleben konnte, nicht eingeht, nicht überzeugend darzustellen.

 

Soweit der Revisionsrekurswerber schließlich moniert, es habe entgegen der Auffassung des Rekursgerichts eine unzureichende Beweisaufnahme stattgefunden und es werde nach Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen insbesondere das Sachverständigengutachten zu ergänzen sein, ist ihm entgegenzuhalten, dass eingehende ergänzende Ermittlungen angesichts der zuletzt von der Mutter erhobenen massiven Vorwürfe ohnehin unausweichlich sind und vor deren Abschluss eine endgültige Entscheidung über die Obsorge keinesfalls ergehen kann. Auch aus einer Stellungnahme der zuständigen Mitarbeiterinnnen des Amts für Jugend und Familie ergibt sich im Übrigen, dass er das Ergebnis des Strafverfahrens abwarten wolle und akzeptiere, dass während der Abklärung der Vorwürfe keine Kontaktaufnahme zum Kind erfolgen werde.