08.04.2018 Verfahrensrecht

VwGH: "Im Interesse der Raschheit" iSv § 28 Abs 2 Z 2 VwGVG

Wenn (lediglich) ergänzende Ermittlungen vorzunehmen sind, liegt die (ergänzende) Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das VwG im Interesse der Raschheit iSv § 28 Abs 2 Z 2 erster Fall VwGVG; es ist diesbezüglich nicht bloß auf die voraussichtliche Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens alleine, sondern auf die Dauer des bis zur meritorischen Entscheidung insgesamt erforderlichen Verfahrens abzustellen; allein der Umstand, dass unter den gegebenen Voraussetzungen im Rahmen ergänzender Ermittlungen allenfalls die Bestellung eines Sachverständigen und die Einholung eines Gutachtens im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erforderlich wären, ändert an dieser Beurteilung nichts


Schlagworte: Verwaltungsgericht, meritorische Entscheidung, Kassation, im Interesse der Raschheit
Gesetze:

 

§ 28 VwGVG

 

GZ Ra 2016/12/0101, 25.10.2017

 

VwGH: Die einzelfallbezogene Anwendung des § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG berührt unter Berücksichtigung der vom VwGH vorgegebenen Auslegung dieser Bestimmung zwar dann keine grundsätzliche Rechtsfrage, wenn sich das vom VwG solcherart erzielte Ergebnis als vertretbar erweist. Jedoch hat das VwG im vorliegenden Fall das Regelungssystem des § 28 Abs 2 Z 2 iVm Abs 3 VwGVG vor dem Hintergrund der für seine Auslegung in der Rsp entwickelten Leitlinien in unvertretbarer Weise angewendet.

 

Zur Befugnis der Verwaltungsgerichte zur Behebung und Zurückverweisung gem § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG hat der VwGH bereits in zahlreichen Erkenntnissen Stellung genommen.

 

Nach der stRsp des VwGH ist in § 28 VwGVG ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte normiert, weswegen die in § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG vorgesehene Möglichkeit der Kassation eines verwaltungsbehördlichen Bescheides streng auf ihren gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken ist. Liegen die Voraussetzungen des § 28 Abs 2 VwGVG für eine Sachentscheidung vor, hat das VwG jedenfalls eine Sachentscheidung zu treffen.

 

Das VwG hat es vorliegendenfalls verabsäumt, sich mit dieser Rsp näher auseinanderzusetzen. Das Vorliegen einer Konstellation nach § 28 Abs 2 VwGVG verneinte das VwG mit dem Hinweis auf das "durchzuführende Ermittlungsverfahren" sowie mit der Begründung, der Sachverhalt sei in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig geblieben.

 

Fallbezogen verkennt das BVwG dabei den Bedeutungsgehalt des "Interesses der Raschheit" iSv § 28 Abs 2 Z 2 VwGVG bereits deshalb, weil im Verfahren betreffend Funktionszulage gem § 30 GehG - anders als dies idR anlässlich der Bewertung eines Arbeitsplatzes der Fall ist - umfangreiche bzw in hohem Maße aufwendige Ermittlungen nicht unumgänglich waren.

 

Wie das BVwG nämlich zutreffend festhielt, hängt die Wertigkeit eines Arbeitsplatzes nicht von der Erfahrung, die der Beamte auf einem Arbeitsplatz gesammelt hat, ab, sondern ausschließlich von den mit dem jeweiligen Arbeitsplatz verbundenen Anforderungen. Es ist folglich für die Gewährung der vom Revisionswerber beantragten Funktionszulage nicht maßgeblich, ob und wie lange dieser den in Rede stehenden Arbeitsplatz bereits innehatte.

 

Vor dem Hintergrund des Bescheides vom 6. Juli 2015 sowie des E-Mails der Dienstbehörde vom 8. Juli 2016 betreffend eine "allgemein gehaltene Arbeitsplatzbeschreibung eines Teamexperten PrüferIn" war ersichtlich, dass die Dienstbehörde selbst die Ansicht vertrat, dass (abgesehen von einer fünfjährigen "Wartefrist", die aber nicht ausschlaggebend ist) der gegenständliche Arbeitsplatz aufgrund der mit ihm verbundenen Anforderungen der Funktionsgruppe 3 zuzuordnen ist. Davon ausgehend wäre die vorliegende Rechtssache entscheidungsreif gewesen und hätte es keiner weiteren Ermittlungsschritte bedurft.

 

Wenn das VwG hingegen Zweifel an der Wertigkeit des Arbeitsplatzes des Revisionswerbers gehabt haben sollte und von amtswegen über die bereits vorliegenden behördlichen Ermittlungsergebnisse hinausgehend weitere Ermittlungen für geboten erachtet haben sollte, ist auf die stRsp des VwGH hinzuweisen, wonach dann, wenn (lediglich) ergänzende Ermittlungen vorzunehmen sind, die (ergänzende) Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das VwG im Interesse der Raschheit iSv § 28 Abs 2 Z 2 erster Fall VwGVG liegt.

 

Es ist diesbezüglich nicht bloß auf die voraussichtliche Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens alleine, sondern auf die Dauer des bis zur meritorischen Entscheidung insgesamt erforderlichen Verfahrens abzustellen.

 

Allein der Umstand, dass unter den gegebenen Voraussetzungen im Rahmen ergänzender Ermittlungen allenfalls die Bestellung eines Sachverständigen und die Einholung eines Gutachtens im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erforderlich wären, ändert an dieser Beurteilung nichts.

 

Vor diesem Hintergrund erweist sich die Ansicht des VwG, wonach in dem hier zu beurteilenden Fall das Interesse der Raschheit nicht die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das VwG gebieten würde, als nicht zutreffend.

 

Indem das VwG dies verkannte und eine auf § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG gestützte Aufhebung und Zurückverweisung vornahm, belastete es den angefochtenen Beschluss mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

 

Da sich der VwGH zu einer Entscheidung in der Sache selbst nicht veranlasst sieht, war der angefochtene Beschluss somit gem § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben.