OGH: Zum Rücktritt von auf der Baustelle erteilten Zusatzaufträgen (FAGG)
Gerade für den Bauvertrag ist es typisch, dass im Zuge der Bauausführung Leistungsänderungen vereinbart werden; Hauptauftrag und Zusatzaufträge bilden dabei einen einheitlichen Vertrag
§§ 1165 ff ABGB, § 914 ABGB, § 13 FAGG, Art 3 Verbraucherrechte-RL
GZ 4 Ob 28/18y, 20.02.2018
OGH: Nach Art 3 Abs 5 Verbraucherrechte-RL lässt diese das innerstaatliche Vertragsrecht unberührt, soweit nicht konkrete vertragliche Aspekte in der RL geregelt werden. So sind etwa das Zustandekommen, die Gültigkeit oder die Rechtswirkungen eines Vertrags nach innerstaatlichem Recht zu beurteilen. Dies gilt ebenso für die Bestimmung der geschuldeten Leistung als Vertragsinhalt sowie die Beurteilung, ob mehrere vertragliche Regelungen als Gegenstand eines einheitlichen Vertrags anzusehen sind. Diese Fragen sind daher nach innerstaatlichem Recht, ohne Vorgaben durch die Verbraucherrechte-RL, zu beantworten.
Mangels ausdrücklicher Erklärungen der Parteien zur Frage, ob äußerlich getrennte Verträge sachlich eine Einheit bilden sollen, ist durch Vertragsauslegung zu ermitteln, ob ein derartiger Wille der Parteien angenommen werden kann. Vor allem aus der Entstehungsgeschichte des Vertrags und aus dem zeitlichen Abstand zwischen den Verträgen können sich gegebenenfalls Anhaltspunkte für einen auf die Verknüpfung der Verträge abzielenden Parteiwillen ergeben. Gerade für den Bauvertrag ist es typisch, dass im Zuge der Bauausführung Leistungsänderungen vereinbart werden, um das Leistungsziel zu erreichen. Die vom Besteller gewünschten Leistungsänderungen können in Zusatzleistungen, die im Hauptauftrag nicht berücksichtigt sind (zB zusätzliche Leistungspositionen oder die Sanierung zusätzlicher Räume), in einem Leistungsentfall oder in einem Leistungsaustausch bestehen; Zusatzleistungen werden idR im Rahmen von Zusatzaufträgen angeordnet.
Hier sind alle vom Besteller auf der Baustelle erteilten Zusatzaufträge nach der Vertragsauslegung und der Übung des redlichen Verkehrs als Konkretisierung des Hauptauftrags zu qualifizieren und dem Hauptauftrag zuzuordnen. Hauptauftrag und Zusatzaufträge bilden einen einheitlichen Vertrag, der vorliegend zum Zweck der Sanierung der Wohnung des Bestellers abgeschlossen wurde. Da aus rechtlicher Sicht kein gesonderter, außerhalb der Geschäftsräume des Bauunternehmens geschlossener Vertrag vorliegt, ist der sachliche Anwendungsbereich des FAGG auch in Bezug auf die Zusatzaufträge nicht eröffnet. Aus diesem Grund steht dem Besteller kein Rücktrittsrecht zu.