OGH: Warnpflichtverletzung (des Architekten) iSd § 1168a ABGB (iZm – erkannter – fehlerhafter Berechnungsgrundlage der Statik)
Die Auffassung des Berufungsgerichts, der beklagte Architekt hätte sich, nachdem er zu Beginn der Bauausführung und vor Fertigstellung des Polierplans erfahren hatte, dass der Erstnebenintervenient die für den Erweiterungsbau erstellte Statik mit einer Trägerhöhe des bestehenden Leimbinders von 1,70 m statt richtig 1,25 m (in der Mitte) gerechnet hatte, vergewissern müssen, ob sich unter Berücksichtigung der tatsächlichen Trägerhöhe nicht eine Änderung der statischen Berechnungen ergibt, ist vertretbar
§ 1168a ABGB
GZ 4 Ob 246/17f, 20.02.2018
OGH: Ob eine schuldhafte, haftungsbegründende Warnpflichtverletzung vorliegt, ist wegen der Kasuistik der Fallgestaltung eine Frage des Einzelfalls.
Die Auffassung des Berufungsgerichts, der beklagte Architekt hätte sich, nachdem er zu Beginn der Bauausführung und vor Fertigstellung des Polierplans erfahren hatte, dass der Erstnebenintervenient die für den Erweiterungsbau erstellte Statik mit einer Trägerhöhe des bestehenden Leimbinders von 1,70 m statt richtig 1,25 m (in der Mitte) gerechnet hatte, vergewissern müssen, ob sich unter Berücksichtigung der tatsächlichen Trägerhöhe nicht eine Änderung der statischen Berechnungen ergibt, ist vertretbar. Im Wissen um die falsche Berechnungsprämisse in einem für die Aufstockung des Betriebsgebäudes der Klägerin entscheidenden Punkt (Höhe des Bestandträgers) durfte sich der Beklagte nicht mehr ohne Weiteres auf die Richtigkeit der Statik verlassen, die Grundlage für seine planerische Tätigkeit war. Der Statiker nahm zwar die ihm (zeitgleich mit dem Beklagten) ebenfalls zur Kenntnis gelangte Abweichung zwischen der dem Plan entnommenen (und seinen Berechnungen zugrundegelegten) und der wirklichen Trägerhöhe des Leimbinders nicht zum Anlass neuer Berechnungen. Dieser Umstand ist jedoch für sich allein nicht geeignet, die Bedenken an der Tauglichkeit der Statik zu beseitigen, die das Bekanntwerden dieser (letztlich schadenskausalen) Divergenz beim Beklagten erwecken musste, hätte er doch damit rechnen müssen, dass die Untätigkeit des Statikers – wie hier – auch auf ein Versäumnis zurückzuführen gewesen sein könnte. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht eine schuldhafte Verletzung der Warnpflicht nach § 1168a ABGB durch den Beklagten bejaht hat, der in dieser unklaren Situation die statischen Belange unreflektiert auf sich beruhen ließ, ohne Rücksprache mit dem Statiker zu halten oder seine Bedenken dem Werkbesteller mitzuteilen.