13.03.2018 Zivilrecht

OGH: Zur Aufklärungsobliegenheit bei der Rechtsschutzversicherung

Wenn der Versicherungsnehmer eine Obliegenheit mit dem Vorsatz verletzt, die Beweislage nach dem Versicherungsfall zu Lasten des Versicherers zu manipulieren, ist der Kausalitätsgegenbeweis ausgeschlossen und der Anspruch verwirkt


Schlagworte: Versicherungsrecht, Rechtsschutzversicherung, Obliegenheiten nach Eintritt des Versicherungsfalls, Aufklärungsobliegenheit, Kausalitätsgegenbeweis, dolus coloratus
Gesetze:

 

Art 8 ARB 2000, § 6 VersVG, § 34 VersVG

 

GZ 7 Ob 209/17m, 24.01.2018

 

OGH: Gem Art 8.1.1. ARB 2000 hat der Versicherungsnehmer den Versicherer unverzüglich, vollständig und wahrheitsgemäß über die jeweilige Sachlage aufzuklären und ihm alle erforderlichen Unterlagen auf Verlangen vorzulegen.

 

Bei der Bestimmung des Art 8.1.1 ARB 2000 handelt es sich um eine auf die Bedürfnisse des Rechtsschutzversicherers zugeschnittene Ausformung der allgemeinen Auskunftsobliegenheit des § 34 Abs 1 VersVG, wobei der Versicherungsschutz begehrende Versicherungsnehmer diese Auskünfte von sich aus, spontan und ohne konkretes Verlangen des Versicherers zu geben hat. Die Aufklärungsobliegenheit hat auch den wesentlichen Zweck, den Versicherer vor betrügerischen Machenschaften zu schützen. Durch die Aufklärung soll der Versicherer in die Lage versetzt werden, sachgemäße Entscheidungen über die Behandlung des Versicherungsfalls zu treffen. Es genügt, dass die begehrte Auskunft abstrakt zur Aufklärung des Schadenereignisses geeignet ist.

 

Obliegenheiten nach dem Versicherungsfall dienen dem Zweck, den Versicherer vor vermeidbaren Belastungen und ungerechtfertigten Ansprüchen zu schützen. Die Drohung mit dem Anspruchsverlust soll den Versicherungsnehmer motivieren, die Verhaltensregeln ordnungsgemäß zu erfüllen; ihr kommt eine generalpräventive Funktion zu. Der Versicherer braucht nur den objektiven Tatbestand einer Obliegenheitsverletzung nachzuweisen, während es Sache des Versicherungsnehmers ist, zu behaupten und zu beweisen, dass er die ihm angelastete Obliegenheitsverletzung weder vorsätzlich noch grob fahrlässig begangen habe. Dass - bei grob fahrlässiger Begehung einer Obliegenheitsverletzung - die Verletzung weder auf die Feststellung des Versicherungsfalls noch auf die Feststellung und den Umfang der dem Versicherer obliegenden Leistungen Einfluss gehabt hat, ist vom Versicherungsnehmer im Verfahren erster Instanz zu behaupten und zu beweisen. Gelingt dem Versicherungsnehmer der Beweis der leichten Fahrlässigkeit nicht, so steht ihm nach § 6 Abs 3 VersVG auch bei „schlichter“ vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Obliegenheitsverletzung der Kausalitätsgegenbeweis offen. Nur wenn der Versicherungsnehmer eine Obliegenheit mit dem Vorsatz verletzt, die Beweislage nach dem Versicherungsfall zu Lasten des Versicherers zu manipulieren (sog „dolus coloratus“), ist der Kausalitätsgegenbeweis ausgeschlossen und der Anspruch verwirkt.