27.02.2018 Wirtschaftsrecht

OGH: § 54 UGB, § 583 ZPO – mündlich erteilte Handlungsvollmacht zum Abschluss einer Schiedsvereinbarung?

Angesichts der Entstehungsgeschichte des § 583 ZPO nF, der in der Rsp des OGH hervorgehobenen Notwendigkeit eines Übereilungsschutzes und der weitreichenden Wirkungen einer Schiedsvereinbarung, nämlich insbesondere des Verzichts auf staatlichen Rechtsschutz, ist auch nach Inkrafttreten der § 583 ZPO idF Schiedsrechts-Änderungsgesetz 2006, § 54 Abs 1 UGB idF Handelsrechts-Änderungsgesetz 2005 davon auszugehen, dass formpflichtig nicht bloß der Abschluss der Schiedsvereinbarung, sondern auch die Erteilung einer (Handels-)Vollmacht zum Abschluss einer Schiedsvereinbarung sind


Schlagworte: Unternehmensrecht, mündlich erteilte Handlungsvollmacht zum Abschluss einer Schiedsvereinbarung
Gesetze:

 

§ 54 UGB, § 583 ZPO

 

GZ 6 Ob 195/17w, 17.01.2018

 

OGH: Das Schiedsrechts-Änderungsgesetz 2006 übernahm die Regelung des § 577 Abs 3 ZPO aF in § 583 Abs 1 ZPO, wobei diese Bestimmung nunmehr ausdrücklich verlangt, dass die Schiedsvereinbarung (ua) „in einem von den Parteien unterzeichneten Schriftstück enthalten“ sein muss oder in Schreiben, Telefaxen, E-Mails oder anderen Formen der Nachrichtenübermittlung, die einen Nachweis der Vereinbarung – schriftlicher Nachrichtenübermittlung – sicherstellen. Ein im „Entwurf eines SchiedsRÄG 2005“ noch vorgesehener § 583 Abs 5 ZPO, wonach § 583 Abs 1 ZPO „nicht für die Vollmacht zum Abschluss einer Schiedsvereinbarung“ gelten sollte, wurde hingegen in das Schiedsrechts-Änderungsgesetz 2006 nicht aufgenommen. In den Materialien wird dazu ausgeführt, dass auch die Warnfunktion der Form „nicht überkommen“ sei und die „geltende österreichische Rechtslage, wonach die Vollmacht zum Abschluss eines Schiedsvertrags gem § 1008 ABGB eine Spezialvollmacht sein muss und der für den Schiedsvertrag vorgesehenen Form bedarf“, lediglich insoweit geändert werden solle, als durch den am 1. 1. 2007 in Kraft tretenden § 54 Abs 1 UGB die von einem Unternehmer erteilte Handlungsvollmacht im Zweifel auch die Vollmacht zum Abschluss einer entsprechenden Schiedsklausel umfassen solle.

 

Die Handlungsvollmacht gem § 54 UGB ist dabei jede Vollmacht, durch die jemand ohne Erteilung der Prokura zum Betrieb eines Unternehmens oder zur Vornahme einer bestimmten zu einem Unternehmen gehörigen Art von Geschäften oder zur Vornahme einzelner zu einem Unternehmen gehöriger Geschäfte ermächtigt wird. Sie braucht nicht ausdrücklich erteilt zu werden; die Erteilung durch schlüssiges Handeln reicht aus. Dass von einer Handlungsvollmacht auch Schiedsvereinbarungen umfasst sind und für deren Abschluss eine Spezialvollmacht nach § 1008 ABGB nicht (mehr) nötig ist, wurde zwar durch das Handelsrechts-Änderungsgesetz 2005 in § 54 Abs 1 UGB eingefügt. Die nunmehrige Regelung bedeutet, dass die von einem Unternehmer erteilte Handlungsvollmacht im Zweifel auch die Vollmacht zum Abschluss einer entsprechenden Schiedsklausel umfasst.

 

Angesichts der Entstehungsgeschichte des § 583 ZPO nF, der in der Rsp des OGH hervorgehobenen Notwendigkeit eines Übereilungsschutzes und der weitreichenden Wirkungen einer Schiedsvereinbarung, nämlich insbesondere des Verzichts auf staatlichen Rechtsschutz, ist auch nach Inkrafttreten der § 583 ZPO idF Schiedsrechts-Änderungsgesetz 2006, § 54 Abs 1 UGB idF Handelsrechts-Änderungsgesetz 2005 davon auszugehen, dass formpflichtig nicht bloß der Abschluss der Schiedsvereinbarung, sondern auch die Erteilung einer (Handels-)Vollmacht zum Abschluss einer Schiedsvereinbarung sind. Dies entspricht im Übrigen nicht nur der – damals obiter geäußerten – Auffassung der Entscheidung 7 Ob 64/06x, sondern auch jener maßgeblichen Teile der Literatur, die zum Teil zutreffend (weiters) darauf hinweisen, dass die Ausnahme des § 54 Abs 1 Satz 2 UGB vom Erfordernis von Spezial- und Gattungsvollmachten iSd § 1008 ABGB nichts über die Notwendigkeit der Einhaltung von Formvorschriften aussagt; § 54 Abs 1 UGB ist eine Norm des materiellen Rechts, deren Inhalt im Wesentlichen darin besteht, den Umfang der Handlungsvollmacht zu regeln. Der Gesetzgeber stellt dies in § 54 UGB auch noch durch die Bezugnahme auf § 1008 ABGB klar. Der von Koller gewünschte „Gleichlauf“ der Anforderungen an die Vollmacht für das Hauptgeschäft und für die (darin enthaltene) Schiedsvereinbarung lässt sich zum einen den gesetzlichen Grundlagen nicht entnehmen; zum anderen rechtfertigen die sehr weitreichenden Wirkungen einer Schiedsvereinbarung eine strenge Auslegung des Schriftlichkeitsgebots.

 

Im Revisionsverfahren ist nicht (mehr) strittig, dass die dem Zweitbeklagten von der Erstbeklagten mündlich erteilte Vollmacht diesen Formvorschriften nicht genügte; es liegt damit keine schriftliche Unterwerfung unter die (allfällige) Schiedsvereinbarung vom 4. 12. 2013 vor. Die mangelnde Einhaltung der Formerfordernis des § 583 Abs 1 ZPO in Bezug auf die Erstbeklagte schlägt nach stRsp aber auch auf den Zweitbeklagten durch. Die Beklagten haben somit die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit des angerufenen Erstgerichts zu Unrecht erhoben, weshalb der Beschluss des Erstgerichts wiederherzustellen war.