VwGH: § 24 VwGVG; § 12b AuslBG – Entfall einer beantragten mündlichen Verhandlung iZm Beschäftigung als Schlüsselkraft
Beim Verfahren betreffend die Zulassung von Ausländern zu einer Beschäftigung als Schlüsselkraft handelt es sich um ein "civil right" iSd Rsp des EGMR; die Parteien haben bei einer solchen Entscheidung über zivilrechtliche Ansprüche oder Verpflichtungen grundsätzlich ein Recht darauf, dass ihre Angelegenheit in einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem in der Sache entscheidenden Gericht erörtert wird, außer wenn weder eine Tatsachen- noch eine Rechtsfrage aufgeworfen wurde, deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte
§ 24 VwGVG, § 12b AuslBG, Art 6 EMRK, Art 47 GRC
GZ Ra 2017/09/0003, 19.12.2017
VwGH: Nach § 24 Abs 4 VwGVG kann das VwG, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs 1 EMRK noch Art 47 GRC entgegenstehen. Nach § 24 Abs 4 VwGVG kommt ein Entfall der Verhandlung somit dann nicht in Betracht, wenn Art 6 EMRK und Art 47 GRC die Durchführung einer solchen gebieten. Eine Verhandlung vor dem VwG ist daher durchzuführen, wenn es um "civil rights" oder "strafrechtliche Anklagen" iSd Art 6 EMRK oder um die Möglichkeit der Verletzung von einer Person eingeräumten Unionsrechten (Art 47 GRC) geht und eine inhaltliche Entscheidung in der Sache selbst getroffen wird.
Vorliegend handelt es sich beim Verfahren betreffend die Zulassung von Ausländern zu einer Beschäftigung als Schlüsselkraft um ein "civil right" iSd Rsp des EGMR und haben die Parteien bei einer solchen Entscheidung über zivilrechtliche Ansprüche oder Verpflichtungen grundsätzlich ein Recht darauf, dass ihre Angelegenheit in einer - im vorliegenden Fall auch beantragten - öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem in der Sache entscheidenden Gericht erörtert wird, außer wenn weder eine Tatsachen- noch eine Rechtsfrage aufgeworfen wurde, deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte.
Es gehört gerade im Fall widersprechender prozessrelevanter Behauptungen zu den grundlegenden Pflichten des VwG, dem auch im § 24 VwGVG verankerten Unmittelbarkeitsprinzip Rechnung zu tragen und sich als Gericht im Rahmen einer (bei Geltendmachung von "civil rights" idR auch von Amts wegen durchzuführenden) mündlichen Verhandlung einen persönlichen Eindruck von der Glaubwürdigkeit von Zeugen bzw Parteien zu verschaffen und insbesondere darauf seine Beweiswürdigung zu gründen.