OGH: Zur grundbücherlichen Eintragung des Eintritts des Vorsorgefalles
Für die grundbücherliche Ersichtlichmachung des Eintritts des Vorsorgefalles besteht weder direkt noch im Wege der Analogie eine Rechtsgrundlage
§ 20 GBG, § 140h NO
GZ 5 Ob 119/17m, 20.11.2017
OGH: Zu den nach § 20 lit a GBG ersichtlich zu machenden persönlichen Verhältnissen zählen nach dem Gesetzestext „insbesondere“ Beschränkungen der Vermögensverwaltung, zB die Anmerkung der Minderjährigkeit, der Bestellung eines Sachwalters, des Eintritts der Volljährigkeit oder der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Die Anmerkung dieser Verhältnisse sowie ihre Löschung erfolgt auf Ansuchen der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter oder der hiezu berufenen Gerichte aufgrund beweiswirkender Urkunden (§ 52 GBG). Ein unbeschränkter Vertrauensschutz iSd Vertrauens auf die Richtigkeit und Vollständigkeit des Grundbuchs kommt ihnen nicht zu. Die sich etwa aus der Minderjährigkeit, Bestellung eines Sachwalters oder Insolvenzeröffnung ergebenden Verfügungsbeschränkungen wirken ungeachtet ihre Anmerkung im Grundbuch; umgekehrt kann eine unrichtige derartige Anmerkung keinen Vertrauensschutz insofern begründen, als der Vertrauende hinsichtlich der Anmerkung so gestellt wird, als entspräche sie der von ihm angenommenen Rechtslage.
Die in § 20 lit a GBG enthaltene Aufzählung der anzumerkenden persönlichen Verhältnisse ist bloß beispielhaft, eine Analogie nicht ausgeschlossen. Eine Analogie kommt aber nur bei Umständen in Betracht, die in Gegenstand und Funktion einer der Anmerkung zugänglichen Tatsache entsprechen. Bei den in § 20 lit a GBG erwähnten persönlichen Verhältnissen Buchberechtigter geht es grundsätzlich um Verfügungsbeschränkungen aufgrund persönlicher Eigenschaften und Fähigkeiten des Buchberechtigten, nicht aber um rechtsgeschäftliche Willensbindungen.
Eine Vorsorgevollmacht führt im Unterschied zur Bestellung eines Sachwalters selbst im Falle ihres Wirksamwerdens zu keiner solchen konstitutiven Beschränkung der Geschäftsfähigkeit des Vollmachtgebers. Sie stellt vielmehr (nur) einen Anwendungsfall der zivilrechtlichen Vollmacht dar. Auf Grundlage eines ärztlichen Zeugnisses darüber, dass dem Vollmachtgeber die erforderliche Geschäftsfähigkeit, Einsichts- und Urteilsfähigkeit oder Äußerungsfähigkeit fehlt, kann gem § 140h Abs 6 NO das Wirksamwerden der Vorsorgevollmacht im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis (ÖZVV) registriert werden. Diese Registrierung des Wirksamwerdens der Vorsorgevollmacht hat aber nur deklarative Wirkung, ist also keine Wirksamkeitsvoraussetzung. Mit der Registrierung des Wirksamwerdens ist auch keine Beschränkung der Verfügungsfähigkeit des Vollmachtgebers konstitutiv verbunden. Sie ist daher in Wesen und Funktion der Bestellung eines Sachwalters nicht gleich zu halten. Für die grundbücherliche Ersichtlichmachung des Eintritts des Vorsorgefalles besteht somit weder direkt noch im Wege der Analogie eine Rechtsgrundlage.