05.02.2018 Zivilrecht

OGH: Obliegenheitsverletzung iSd § 6 VersVG (hier: behauptete Auskunftsobliegenheitsverletzung im Zuge der Schadenerhebung)

Der Versicherungsnehmer kann davon ausgehen, dass ein Versicherer, dem das Weisungsrecht zukommt, gerade bei nicht eindeutiger Schadensursache selbst entscheidet, welche Kontroll- und Suchtätigkeiten er entfalten will und er sich dabei nicht auf die laienhafte Meinung des Versicherungsnehmers oder auf Meinungen oder Handlungen von nicht von ihm beauftragten Handwerkern verlassen wird, ohne sich selbst über die Situation eine Meinung durch seine Sachverständigen zu bilden; dh, es war zu erwarten, dass der Versicherer das Dach kontrollieren lässt, wenn er dort die Schadensursache vermutet, unabhängig davon, ob ihm die Klägerin die vermisste Aufklärung erteilt hat oder nicht; der Versicherer muss entscheiden, was er aufgrund der jederzeit zu begutachtenden unklaren Situation für zweckmäßig hält; ordnet er daher von sich aus an, dass zuerst Abbrucharbeiten im Kinderbadezimmer zur Leckortung vorgenommen werden sollen, bevor er das Dach kontrollieren lässt, dann kann das Unterbleiben der Aufklärung nur leichte Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers begründen.


Schlagworte: Versicherungsrecht, Obliegenheitsverletzung, Auskunftsobliegenheit, Schadenerhebung
Gesetze:

 

§ 6 VersVG

 

GZ 7 Ob 174/17i, 20.12.2017

 

OGH: Zu den Aufwendungen iZm den Leckortungen und der De- und Remontage des Kinderbadezimmers iHv 4.987,08 EUR:

 

Diese Kosten stehen iZm der Suche nach einer Schadensstelle an den versicherten Rohren, wobei die Durchführung der mit diesen Aufwendungen verbundenen Tätigkeiten über ausdrückliche Weisung der Beklagten erfolgte. Dass diese Kosten grundsätzlich vom Versicherungsschutz umfasst sind, wird von der Beklagten auch nicht bezweifelt.

 

Die Beklagte beruft sich aber darauf, dass die Klägerin ihre Auskunftsobliegenheit im Zuge der Schadenerhebung verletzt habe, indem sie den Sachverständigen nicht auf bereits erfolgte Arbeiten am Dach hingewiesen, sondern vielmehr einen Fehler am Dach als Ursache für den Wassereintritt sogar ausgeschlossen habe.

 

Obliegenheiten nach dem Versicherungsfall dienen dem Zweck, den Versicherer vor vermeidbaren Belastungen und ungerechtfertigten Ansprüchen zu schützen. Die Drohung mit dem Anspruchsverlust soll den Versicherungsnehmer motivieren, die Verhaltensregeln ordnungsgemäß zu erfüllen; ihr kommt eine generalpräventive Funktion zu. Der Versicherer braucht nur den objektiven Tatbestand einer Obliegenheitsverletzung nachzuweisen, während es Sache des Versicherungsnehmers ist, zu behaupten und zu beweisen, dass er die ihm angelastete Obliegenheitsverletzung weder vorsätzlich noch grob fahrlässig begangen habe. Dass – bei grob fahrlässiger Begehung einer Obliegenheitsverletzung – die Verletzung weder auf die Feststellung eines Versicherungsfalls noch auf die Feststellung und den Umfang der dem Versicherer obliegenden Leistungen Einfluss gehabt hat, ist vom Versicherungsnehmer im Verfahren erster Instanz zu behaupten und zu beweisen. Eine nur leichte Fahrlässigkeit bleibt demnach ohne Sanktion. Gelingt dem Versicherungsnehmer der Beweis der leichten Fahrlässigkeit nicht, so steht ihm nach § 6 Abs 3 VersVG auch bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Obliegenheitsverletzung der Kausalitätsgegenbeweis offen. Unter Kausalitätsgegenbeweis ist der Nachweis zu verstehen, dass die Obliegenheitsverletzung weder auf die Feststellung des Versicherungsfalls noch auf die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers einen Einfluss gehabt hat. Dies kann für den Gesamtschaden oder einen Teil des Schadens gelingen.

 

Die Revision zieht die vom Berufungsgericht bejahte Verletzung der Auskunftsobliegenheit nicht in Zweifel, sie verweist jedoch darauf, dass die Obliegenheitsverletzung auf leichter Fahrlässigkeit beruhe.

 

Der Versicherungsnehmer kann davon ausgehen, dass ein Versicherer, dem das Weisungsrecht zukommt, gerade bei nicht eindeutiger Schadensursache – wie hier – selbst entscheidet, welche Kontroll- und Suchtätigkeiten er entfalten will und er sich dabei nicht auf die laienhafte Meinung des Versicherungsnehmers oder auf Meinungen oder Handlungen von nicht von ihm beauftragten Handwerkern verlassen wird, ohne sich selbst über die Situation eine Meinung durch seine Sachverständigen zu bilden. Dh, es war zu erwarten, dass der Versicherer das Dach kontrollieren lässt, wenn er dort die Schadensursache vermutet, unabhängig davon, ob ihm die Klägerin die vermisste Aufklärung erteilt hat oder nicht. Der Versicherer muss entscheiden, was er aufgrund der jederzeit zu begutachtenden unklaren Situation für zweckmäßig hält. Ordnet er daher von sich aus an, dass zuerst Abbrucharbeiten im Kinderbadezimmer zur Leckortung vorgenommen werden sollen, bevor er das Dach kontrollieren lässt, dann kann das Unterbleiben der Aufklärung nur leichte Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers begründen.

 

Die geltend gemachte Leistungsfreiheit infolge Obliegenheitsverletzung ist daher zu verneinen, die Beklagte hat den Betrag von 4.987,08 EUR zu ersetzen.