OGH: Abweichender Aufteilungsschlüssel – zur Frage, ob der Vereinbarung gem § 16 Abs 5 WGG ein privates Nutzwertgutachten zugrunde gelegt werden darf
Jedenfalls dann, wenn eine Vereinbarung iSd § 16 Abs 5 Z 1 WGG vorliegt, bedarf es nicht iSd § 16 Abs 4 WGG der Festsetzung des Nutzwertes durch Gericht oder Gemeinde; dies ergibt sich bereits aus der klaren und eindeutigen Regelung des Gesetzes; wenn schon der gesetzliche Verteilungsschlüssel nach Nutzflächen iSd § 16 Abs 1 WGG zwingend gebietet, dass Nutzflächen von Kfz-Abstellplätzen oder Stellplätzen in Garagen bei der Verteilung außer Ansatz zu bleiben haben, muss sich schon aus einem Größenschluss ergeben, dass eine solche Regelung auch zum Gegenstand einer Vereinbarung iSd § 16 Abs 5 Z 1 WGG gemacht werden kann
§ 16 WGG
GZ 5 Ob 144/17p, 23.10.2017
OGH: Die Vorinstanzen haben ihrer Beurteilung zutreffend § 16 WGG – der durch die Novelle BGBl I 157/2015 keine Änderung erfuhr – zugrunde gelegt.
Nach § 16 Abs 1 WGG bestimmt sich der Anteil eines Miet- oder sonstigen Nutzungsgegenstands an den Gesamtkosten des Hauses nach dem Verhältnis der Nutzfläche des Miet- oder sonstigen Nutzungsgegenstands zur Nutzfläche aller in Bestand oder sonstige Nutzung gegebenen oder hiezu geeigneten Wohnungen, Wohnräume und sonstigen Räumlichkeiten des Hauses.
§ 16 Abs 2 WGG definiert die Nutzfläche, dort sind (ua) Abstellplätze für Kraftfahrzeuge ausdrücklich nicht zu berücksichtigen.
§ 16 Abs 3 WGG bietet der Bauvereinigung die Möglichkeit, abweichend von Abs 1 den Anteil eines Miet- oder sonstigen Nutzungsgegenstands an den Gesamtkosten der Baulichkeit oder an einem oder mehreren Entgeltsbestandteilen iSd § 14 Abs 1, aber auch an den neben dem Entgelt von Miet- oder sonstigen Nutzungsberechtigten zu erbringenden Beiträgen (§ 14 Abs 1 dritter Satz) auch im Verhältnis des Nutzwerts iSd § 2 Abs 8 WEG 2002 des Miet- oder Nutzungsgegenstands zur Summe der Nutzwerte aller Miet- oder sonstigen Nutzungsgegenstände festzulegen.
Diesbezüglich bestimmt § 16 Abs 4 WGG, dass der Nutzwert auf Antrag der Bauvereinigung vom Gericht festzusetzen sei. Die §§ 8 bis 10 WEG 2002 sind anzuwenden.
Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 16 Abs 5 WGG kann von einem Aufteilungsschlüssel gem Abs 1 und 3 (also sowohl von demjenigen nach Nutzflächen als auch Nutzwerten) abgewichen werden
1. durch schriftliche Vereinbarung zwischen der Bauvereinigung und allen Mietern oder sonstigen Nutzungsberechtigten,
2. hinsichtlich des nach Abs 3 festgelegten Anteils auch durch Entscheidung des Gerichts auf Antrag der Bauvereinigung oder eines Mieters oder sonstigen Nutzungsberechtigten, wenn sich der Anteil durch Vorgänge, die einer baubehördlichen Bewilligung bedürfen, oder durch Veränderung der Zuschläge oder Abstriche für werterhöhende oder wertvermindernde Unterschiede um mindestens 5 vH von 100 vH ändert. Der Antrag kann bis zum Ablauf eines Jahres nach Eintritt der Rechtskraft der baubehördlichen Bewilligung oder der tatsächlichen Änderung gestellt werden.
§ 16 Abs 6 WGG sieht für einzelne Betriebskostenarten und Kosten für gemeinschaftliche Anlagen ausgenommen Heiz- und Warmwasserkosten vor, dass die Aufteilung aufgrund schriftlicher Vereinbarung zwischen der Bauvereinigung und allen Mietern oder sonstigen Nutzungsberechtigten nach dem Verhältnis der unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeiten erfolgen kann. Heiz- und Warmwasserkosten sind – soweit nicht das Heizkostenabrechnungsgesetz anzuwenden ist – nach dem Verhältnis der unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeiten aufzuteilen.
Die Rechtsauffassung, eine schriftliche Vereinbarung zwischen der gemeinnützigen Bauvereinigung und allen Mietern bzw Nutzungsberechtigten iSd § 16 Abs 5 Z 1 WGG durchbreche sowohl den subsidiär geltenden Nutzflächen- als auch den von der gemeinnützigen Bauvereinigung – einseitig – gewählten Nutzwertschlüssel, sie könne von Anfang an einen abweichenden Schlüssel bewirken, von dem die gemeinnützige Bauvereinigung nicht mehr einseitig abgehen könne, entspricht der hL und dem diesbezüglich unmissverständlichen Gesetzeswortlaut. Diese Beurteilung zieht die Antragsgegnerin auch nicht in Zweifel.
Dass auch im Fall einer abweichenden Vereinbarung nach § 16 Abs 5 Z 1 WGG jedenfalls ein gerichtliches Nutzwertgutachten einzuholen wäre, wie die Antragsteller meinen, widerspricht der klaren und eindeutigen Anordnung des Gesetzgebers; § 16 Abs 4 WGG kann sich schon aus logisch-systematischen Gründen nur auf die – einseitige – Festsetzung des Verteilungsschlüssels durch die Bauvereinigung abweichend von der Grundregel des § 16 Abs 1 WGG nach § 16 Abs 3 WGG beziehen; ein solcher Fall liegt bei einer schriftlichen Vereinbarung zwischen der Bauvereinigung und allen Mietern iSd § 16 Abs 5 Z 1 WGG nicht vor. Weshalb der Gesetzgeber auch für den Fall einer derartigen Vereinbarung verpflichtend eine Nutzwertfestsetzung durch Gericht bzw Schlichtungsstelle vorsehen hätte sollen, ist auch nach Sinn und Zweck dieser Bestimmung nicht einsichtig. Eine Vereinbarung iSd § 16 Abs 5 Z 1 WGG kann nach dem Gesetzeswortlaut ja unabhängig von den in § 16 Abs 3 WGG genannten Nutzwerten getroffen werden, sodass das Gericht diesfalls zu einer Frage angerufen werden müsste, die für die Verteilung der Aufwendungen iSd § 16 Abs 5 Z 1 WGG von keinerlei Relevanz wäre.
Ob dann, wenn die gemeinnützige Bauvereinigung von sich aus iSd § 16 Abs 3 WGG die Aufteilung nach Nutzwerten iSd § 2 Abs 8 WEG 2002 festlegt, nach dem Gesetzeswortlaut des § 16 Abs 4 WGG jedenfalls die Anrufung des Gerichts erforderlich ist oder aufgrund des dort vorgesehenen Verweises nach §§ 8 bis 10 WEG 2002 iSd § 9 Abs 1 WEG die Ermittlung durch das Gutachten eines Ziviltechnikers oder Sachverständigen ausreicht, ist hier nicht abschließend zu beantworten, weil nach der insoweit unbeanstandet gebliebenen Beurteilung der Vorinstanzen hier kein Fall des § 16 Abs 3 WGG, sondern eine Vereinbarung iSd § 16 Abs 5 Z 1 WGG zu beurteilen ist.
Jedenfalls dann, wenn eine Vereinbarung iSd § 16 Abs 5 Z 1 WGG vorliegt, bedarf es nicht iSd § 16 Abs 4 WGG der Festsetzung des Nutzwertes durch Gericht oder Gemeinde. Dies ergibt sich bereits aus der klaren und eindeutigen Regelung des Gesetzes, weshalb insoweit eine erhebliche Rechtsfrage nicht zu beantworten ist.
Der OGH sprach bereits aus, dass auch durch inhaltlich übereinstimmende Einzelvereinbarungen zwischen dem Vermieter und jedem einzelnen Mieter (Summenvereinbarung) die Vereinbarung eines von den Vorgaben des Gesetzes abweichenden Aufteilungsschlüssels zustande kommen kann. Das Zustandekommen einer Summenvereinbarung mit dem vom Rekursgericht ausführlich dargestellten Inhalt ziehen die Revisionsrekurswerber in ihrem Rechtsmittel nicht in Zweifel. Sie wenden sich lediglich gegen die Auslegung des Punktes V.1 des Nutzungsvertrags und meinen, es sei unzulässig, einen Verteilungsschlüssel zu vereinbaren, der die Kfz-Abstellplätze von der Verteilung auf Basis der gesamten Nutzwerte ausnehme.
In der Entscheidung 5 Ob 155/08t wurde zwar die Frage offengelassen, ob ungeachtet des in § 16 Abs 3 WGG enthaltenden Verweises auf § 2 Abs 8 WEG 2002 eine Vereinbarung zulässig sei, mit der bestimmte Objekte wie Kfz-Abstellplätze vom Gesamtnutzwert iSd § 16 Abs 3 WGG abgezogen werden. Das Rekursgericht hat unter Berücksichtigung dieser Entscheidung und der Glosse von Prader hiezu (Zum abweichenden Verteilungsschlüssel im WGG sowie Vorbehalten betreffend Nutzwertänderungen – immolex 2009/20) mit eingehender Begründung die Auffassung vertreten, wenn schon der gesetzliche Verteilungsschlüssel nach Nutzflächen iSd § 16 Abs 1 WGG zwingend gebiete, dass Nutzflächen von Kfz-Abstellplätzen oder Stellplätzen in Garagen bei der Verteilung außer Ansatz zu bleiben haben, müsse sich schon aus einem Größenschluss ergeben, dass eine solche Regelung auch zum Gegenstand einer Vereinbarung iSd § 16 Abs 5 Z 1 WGG gemacht werden könne.