15.01.2018 Zivilrecht

OGH: Beabsichtigter Prozess gegen Rechtsschutzversicherer – zur Frage, ob durch die Vereinbarung von Punkt 23.2.1.1. die allgemeine Bestimmung Punkt 7.4.4. ARB ohne weiteren Hinweis ausgehebelt werden kann

Mit Art 23.2.1.1. ARB sollen (lediglich) nicht in Österreich belegene Risiken vom Allgemeinen Vertrags-Rechtsschutz ausgenommen werden; Art 7 ARB enthält demgegenüber allgemeine Risikoausschlüsse, die nicht bloß für einen bestimmten Rechtsschutz-Baustein gelten; sollte ein allgemeiner Risikoausschluss (hier: Art 7.4.4. ARB [Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus Versicherungsverträgen mit dem eigenen Rechtsschutz-Versicherer]) für einen bestimmten Rechtsschutz-Baustein nicht gelten, müsste dies dort klar geregelt sein; dies ist hier nicht der Fall; vielmehr wird in der Einführung der ARB – ausdrücklich – darauf hingewiesen, „dass nur die Gemeinsamen und Besonderen Bestimmungen zusammen den Umfang und die Voraussetzungen des Versicherungsschutzes beschreiben“; das vom Berufungsgericht gewonnene Ergebnis, wonach die Klägerin zufolge Art 7.4.4. ARB Rechtsschutz für einen gegen sie selbst angestrebten Prozess zu Recht abgelehnt habe, entspricht daher dem schon durch den klaren Wortlaut der ARB eindeutig vorgezeichneten Auslegungsergebnis


Schlagworte: Versicherungsrecht, Rechtsschutzversicherung, Risikobeschreibung, Ausnahme, Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus Versicherungsverträgen mit dem eigenen Rechtsschutz-Versicherer
Gesetze:

 

Art 23 ARB, Art 7 ARB

 

GZ 7 Ob 150/17k, 08.11.2017

 

Die klagende Versicherung hat mit der Beklagten einen Rechtsschutzversicherungsvertrag abgeschlossen. Diesem liegen die ARB 2010 zugrunde, die auszugsweise wie folgt lauten:

 

„...

 

EINFÜHRUNG UND INHALTSVERZEICHNIS

 

Bitte beachten Sie, dass nur die Gemeinsamen und Besonderen Bestimmungen zusammen den Umfang und die Voraussetzungen des Versicherungsschutzes beschreiben. Die Gemeinsamen Bestimmungen gelten in jedem Fall, die Besonderen Bestimmungen nur so weit, als sie im jeweiligen Versicherungsvertrag vereinbart sind.

 

 

GEMEINSAME BESTIMMUNGEN

 

Artikel 1 …

 

 

Artikel 16 …

 

BESONDERE BESTIMMUNGEN

 

Artikel 17 …

 

Artikel 26 …

 

Artikel 7

 

Was ist vom Versicherungsschutz ausgeschlossen?

 

Soweit nichts anderes vereinbart ist, besteht kein Versicherungsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen

 

...

 

4. aus

 

 

4.4. Versicherungsverträgen mit dem eigenen Rechtsschutz-Versicherer;

 

 

Artikel 15

 

Unter welchen Voraussetzungen verlängert sich der Versicherungsvertrag oder endet er vorzeitig?

 

 

3. Im Zusammenhang mit dem Eintritt eines Versicherungsfalles - ausgenommen Fälle des Beratungs-Rechtsschutzes (Artikel 22) - kann der Versicherungsvertrag unter folgenden Voraussetzungen gekündigt werden:

 

3.1. Der Versicherungsnehmer kann kündigen, wenn der Versicherer

 

...

 

- die Ablehnung des Versicherungsschutzes (Artikel 9.1) verspätet, ohne Begründung oder zu Unrecht ausgesprochen hat.

 

 

Artikel 23

 

Allgemeiner Vertrags-Rechtsschutz

 

...

 

2. Was ist versichert?

 

2.1. Der Versicherungsschutz umfasst die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus

 

2.1.1. Versicherungsverträgen des Versicherungsnehmers über in Österreich belegene Risiken...“

 

Die Klägerin begehrte von der Beklagten die Zahlung von Versicherungsprämien. Die Beklagte lehnte die Bezahlung mit der Begründung ab, sie habe den Versicherungsvertrag wirksam gekündigt, weil die Klägerin für einen gegen sie beabsichtigten Prozess zu Unrecht Deckung verweigert habe.

 

 

OGH: Entgegen der Ansicht der Beklagten ist Art 23 ARB nicht „die Spezialbestimmung“ zu Art 7 ARB, die letztere verdrängt. Richtig ist vielmehr, dass Art 23 ARB – nicht etwa eine „besondere Bedingung“ wie jene in der von der Beklagten zitierten Entscheidung 7 Ob 192/99g, sondern – den Rechtsschutz-Baustein „Allgemeiner Vertrags-Rechtsschutz“ und darin die für diesen Baustein maßgebliche primäre Risikobeschreibung enthält. Dabei sollen mit Art 23.2.1.1. ARB (lediglich) nicht in Österreich belegene Risiken vom Allgemeinen Vertrags-Rechtsschutz ausgenommen werden. Art 7 ARB enthält demgegenüber allgemeine Risikoausschlüsse, die nicht bloß für einen bestimmten Rechtsschutz-Baustein gelten. Sollte ein allgemeiner Risikoausschluss (hier: Art 7.4.4. ARB [Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus Versicherungsverträgen mit dem eigenen Rechtsschutz-Versicherer]) für einen bestimmten Rechtsschutz-Baustein nicht gelten, müsste dies dort klar geregelt sein. Dies ist hier nicht der Fall; vielmehr wird in der Einführung der ARB – ausdrücklich – darauf hingewiesen, „dass nur die Gemeinsamen und Besonderen Bestimmungen zusammen den Umfang und die Voraussetzungen des Versicherungsschutzes beschreiben“. Das vom Berufungsgericht gewonnene Ergebnis, wonach die Klägerin zufolge Art 7.4.4. ARB Rechtsschutz für einen gegen sie selbst angestrebten Prozess zu Recht abgelehnt habe, entspricht daher dem schon durch den klaren Wortlaut der ARB eindeutig vorgezeichneten Auslegungsergebnis, das auch mit der Einschätzung des verständigen durchschnittlichen Versicherungsnehmers übereinstimmt.