08.01.2018 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Zum Regress der Unfallversicherung bei Arbeitsunfällen

§ 335 Abs 1 ASVG ist analog anzuwenden, wenn der Schaden durch einen Repräsentanten einer juristischen Person (hier: Bauleiter) grob fahrlässig verursacht wurde


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Unfallversicherung, Regress, Dienstgeber, Arbeitsunfall, Schadenersatzanspruch, grobe Fahrlässigkeit, Gehilfenhaftung, Repräsentantenhaftung, juristische Person
Gesetze:

 

§§ 334 f ASVG, § 1313a ABGB, § 1315 ABGB

 

GZ 2 Ob 73/17z, 27.11.2017

 

OGH: Der originäre Ersatzanspruch des Sozialversicherungsträgers nach § 334 Abs 1 ASVG setzt grobes Verschulden des Dienstgebers selbst voraus; das Verhalten anderer Personen wird ihm grundsätzlich nicht nach § 1313a oder § 1315 ABGB zugerechnet.

 

Nach § 335 Abs 1 ASVG ist § 334 ASVG allerdings (ua) auch dann anzuwenden, wenn der Dienstgeber eine juristische Person ist und der Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig durch ein „Mitglied des geschäftsführenden Organs der juristischen Person verursacht worden ist“. § 335 Abs 1 ASVG ist nur eine scheinbare Ausnahme vom Grundsatz der Nichtzurechnung: Juristische Personen sind als solche nicht deliktsfähig. Daher kann sich ihre Haftung immer nur aus dem Verhalten von Personen ergeben, die in rechtlich relevanter Weise für sie handeln.

 

Welches Handeln der juristischen Person zugerechnet wird, ergibt sich aus dem allgemeinen Zivilrecht. Seit Erlassung des ASVG hat sich aber die Rsp zur deliktischen Haftung juristischer Personen grundlegend geändert. Dem Verschulden der Mitglieder des Organs steht nun das Verschulden von Personen gleich, die in der Organisation der juristischen Person eine leitende oder überwachende Stellung innehaben und dabei mit eigenverantwortlicher Entscheidungsbefugnis ausgestattet sind. Ein Wirkungskreis, der annähernd jenem eines Organs entspricht, ist dabei nicht erforderlich. Entscheidend ist vielmehr, dass solche „Machthaber“ bzw „Repräsentanten“ wegen der im Interesse der juristischen Person liegenden Selbständigkeit ihrer Tätigkeit eine besondere Gefährdungsmöglichkeit haben.

 

Auch ein Bauleiter oder Polier kann als Repräsentant einer juristischen Person angesehen werden. Hier hatte der Bauleiter bei Eisenbahnbauarbeiten die Gefahrensituation zu bewerten und die entsprechenden Unterlagen zu erstellen; er war jedenfalls insofern gegenüber den Arbeitern auf der Baustelle weisungsbefugt. Damit hatte er eine eigenständige Leitungs- und Kontrollbefugnis, die sich insbesondere auf die Vermeidung von Arbeitsunfällen bezog.