OGH: Feststellungsklage, Klagsausdehnung, (fortgesetzte) Schädigung, Verjährung
Grundsätzlich unterbricht eine Feststellungsklage die Verjährungsfrist sowohl für alle schon eingetretenen als auch für alle aus demselben Schadensereignis voraussehbaren künftigen Schäden; bei einer erneuten Schädigung beginnt allerdings auch eine neue Verjährungsfrist in dem Zeitpunkt, in dem das neue Schadensereignis dem Beschädigten zur Kenntnis gelangt; in diesem Fall ist jede einzelne Handlung oder Unterlassung für sich selbst Schadensursache, weshalb mit jeder weiteren Zufügung eines Schadens eine neue Verjährung in Gang gesetzt wird; eine fortgesetzte Schädigung in diesem Sinn liegt etwa vor, wenn wiederholte schädigende Handlungen vorliegen, von denen jede den Tatbestand einer neuen Rechtsverletzung verkörpert und jede für sich Schadensursache ist; vor dem Hintergrund dieser komplexen Rechtslage ist es nicht zu beanstanden, wenn die klagende Rechtsanwältin die Auffassung vertrat, hinsichtlich der Schäden aus der Aufhebung des Bescheids im Jahr 2004 könnte eine gesonderte Verjährungsfrist zu laufen beginnen, weshalb bis Jänner 2007 mit einer Klagsausdehnung vorgegangen werden müsse; die Gerichte könnten diesbezüglich zum Ergebnis kommen, dass die ursprüngliche Klage aus dem Jahr 2003 insoweit keine Unterbrechungswirkung entfaltete
§ 1489 ABGB, § 228 ZPO, § 226 ZPO, §§ 1295 ff ABGB, § 9 RAO
GZ 6 Ob 174/17g, 21.11.2017
OGH: Es entspricht stRsp des OGH, dass – um die Verjährung eines Schadenersatzanspruchs zu verhindern, der aus zum Teil fälligen und zum Teil erst fällig werdenden Ansprüchen besteht – sowohl eine Leistungsklage für fällige Ansprüche als auch eine Feststellungsklage für erst fällig werdende Ansprüche innerhalb der dreijährigen Frist des § 1489 ABGB erhoben werden muss; eine Ausdehnung bzw Änderung der Klage auf während des Prozesses fällig werdende Schadensbeträge ist auch dann möglich, wenn die ursprüngliche Verjährungsfrist schon abgelaufen sein sollte, sie ist aber zur Aufrechterhaltung der Unterbrechung nicht erforderlich.
Allerdings bezieht sich die Unterbrechungswirkung einer Feststellungsklage nicht auf bereits bekannte und fällige Schadenersatzansprüche; durch die Einbringung der Feststellungsklage wird nämlich nur die Verjährung aller in diesem Zeitpunkt zukünftigen Schadenersatzansprüche unterbrochen. Das Begehren auf Ersatz künftiger Schäden unterbricht somit nicht die Verjährung bereits fälliger Ansprüche, die mit Leistungsklage geltend gemacht werden könnten.
Hinsichtlich des Zeitraums von Juni 2003 bis Oktober 2006 macht die außerordentliche Revision geltend, es wäre ausreichend gewesen, bloß das Feststellungsbegehren auch auf die seit Klagserhebung gesetzten weiteren schadensbegründenden Behördenhandlungen zu stützen; nicht notwendig sei es dagegen gewesen, das Leistungsbegehren auszudehnen. Inhaltlich geht es dabei um die Frage, ob die Aufhebung eines Bescheids im Jänner 2004 als eigenes schadensauslösendes Ereignis qualifiziert werden könnte bzw müsste.
Grundsätzlich unterbricht eine Feststellungsklage die Verjährungsfrist sowohl für alle schon eingetretenen als auch für alle aus demselben Schadensereignis voraussehbaren künftigen Schäden. Bei einer erneuten Schädigung beginnt allerdings auch eine neue Verjährungsfrist in dem Zeitpunkt, in dem das neue Schadensereignis dem Beschädigten zur Kenntnis gelangt. In diesem Fall ist jede einzelne Handlung oder Unterlassung für sich selbst Schadensursache, weshalb mit jeder weiteren Zufügung eines Schadens eine neue Verjährung in Gang gesetzt wird. Eine fortgesetzte Schädigung in diesem Sinn liegt etwa vor, wenn wiederholte schädigende Handlungen vorliegen, von denen jede den Tatbestand einer neuen Rechtsverletzung verkörpert und jede für sich Schadensursache ist. Vor dem Hintergrund dieser komplexen Rechtslage (vgl bloß die diffizilen Abwägungen in der Entscheidung 6 Ob 232/15h) ist es nicht zu beanstanden, wenn die Klägerin die Auffassung vertrat, hinsichtlich der Schäden aus der Aufhebung des Bescheids im Jahr 2004 könnte eine gesonderte Verjährungsfrist zu laufen beginnen, weshalb bis Jänner 2007 mit einer Klagsausdehnung vorgegangen werden müsse; die Gerichte könnten diesbezüglich zum Ergebnis kommen, dass die ursprüngliche Klage aus dem Jahr 2003 insoweit keine Unterbrechungswirkung entfaltete.
Die Auffassung der außerordentlichen Revision, es hätte ausgereicht, nur das Feststellungsbegehren auszudehnen, wird so nicht geteilt: Kann der Geschädigte die Höhe eines bereits eingetretenen und ihm dem Grunde nach bekannten Schadens durch naheliegende zweckmäßige Maßnahmen ermitteln, so ist dem Geschädigten ein rechtlich schutzwürdiges Interesse auf alsbaldige Feststellung lediglich der Haftung des in Anspruch genommenen Ersatzpflichtigen für den geltend gemachten Schaden abzusprechen. Er muss daher solche Maßnahmen ergreifen, um auf diese Weise die Voraussetzung für die Schadensbezifferung in einer Leistungsklage zu schaffen. Die Feststellungsklage ist nur subsidiär zulässig; soweit der Schaden schon eingetreten und der Ersatzanspruch bezifferbar sind, scheidet deshalb ein Feststellungsbegehren im Allgemeinen aus. Hier lag der Beklagten im Zeitpunkt der Klagsausdehnung im Oktober 2006 bereits das Privatgutachten vor, auf welches sie auch ihre Klagsausdehnung stützte. Der Beklagten war daher eine Bezifferung ihres Schadens, der ihr aus der Aufhebung des Bescheids im Jahr 2004 entstanden war, möglich. Damit war aber die Auffassung der Klägerin, eine sichere Verjährungsunterbrechung sei hinsichtlich dieser Schäden nur durch ein Leistungs- und nicht durch ein bloßes Feststellungsbegehren möglich, durchaus vertretbar. Genau in diese Richtung beriet die Klägerin auch die Beklagte.