11.12.2017 Zivilrecht

OGH: Zur Frage, ob sich ein von der Schutzwirkung eines Vertrags erfasster Dritter eine zwischen den Vertragsparteien vereinbarte Haftungsbeschränkung entgegenhalten muss

Die Haftung aufgrund von Schutzwirkungen zugunsten Dritter greift lediglich subsidiär ein; ein schutzwürdiges Interesse des Dritten ist überhaupt zu verneinen, wenn dieser kraft eigener rechtlicher Sonderverbindung mit seinem Vertragspartner, der seinerseits den den Schaden herbeiführenden Hauptleistungspflichtigen aus dem Vertrag als Erfüllungsgehilfen beigezogen hat, einen deckungsgleichen Anspruch auf Schadenersatz hat; dies trifft hier auf die vom Kläger de facto zum Generalunternehmer für die Bodensanierung bestellte GmbH & Co KG zu, die ihm aus dieser unmittelbaren Vertragsbeziehung für die von ihren Erfüllungsgehilfen an seinem Eigentum verursachten Schäden haftet; in diesem Innenverhältnis kommt dem Kläger als Vertragspartei auch seine allfällige Stellung als Verbraucher nach § 1 KSchG zugute; den Umstand, dass der Kläger sich der GmbH & Co KG aus sachfremden (steuerschonenden) Motiven bedient hat, kann der Beklagten nicht entgegengehalten werden; bei der strittigen Klausel handelt es sich nicht um eine individuell vereinbarte Bedingung, sondern um eine im Baugewerbe gebräuchliche, standardisierte Önorm; diese Normen stellen eine Zusammenfassung üblicher Sorgfaltsansforderungen an einen Werkvertrag dar und spiegeln den Stand der für die betroffenen Kreise geltenden Regeln (insbesondere der Technik) wider; sofern sie ausdrücklich vereinbart wurden, werden auch die in ÖNormen für die Baupraxis enthaltenen, vom Gesetz abweichenden Schadenersatzregeln und Gefahrtragungsregeln zum Vertragsinhalt


Schlagworte: Werkvertrag, Generalunternehmer, Haftungsbeschränkung, Vertrag mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter
Gesetze:

 

§§ 1165 ff ABGB, §§ 1002 ff ABGB, §§ 1295 ff ABGB, § 1311 ABGB, § 881 ABGB, § 879 ABGB, ÖNorm B2110

 

GZ 8 Ob 46/17y, 25.10.2017

 

OGH: Zwischen dem Auftraggeber eines Generalunternehmers und dessen Subunternehmer entsteht idR kein unmittelbares Rechtsverhältnis. Der Zweck der Bestellung eines Generalunternehmers besteht ja gerade darin, dass der Bauherr Dritten nicht haftet und er nur dazu verpflichtet ist, was der Generalunternehmer aufgrund der mit ihm geschlossenen Vereinbarung verlangen kann. Daraus folgt aber noch nicht, dass nicht auch der Besteller im Schutzbereich des Subunternehmensvertrags mit dem Generalunternehmer und der Subunternehmer steht.

 

Beim Vertrag zugunsten Dritter kann der Schuldner dem Dritten alle Einwendungen entgegensetzen, die ihm gegenüber dem Versprechensempfänger zustehen. Das gilt umso mehr auch, wenn der Dritte sich nur auf eine in der Rsp anerkannte Schutzwirkung des Vertrags zu seinen Gunsten berufen kann. Unter solche Einwendungen fällt auch eine mit dem Vertragspartner vereinbarte Beschränkung der Haftungssumme für leicht fahrlässig verursachte Schäden. Umgekehrt kann der Dritte Einwendungen, die in seiner Person begründet sind, dem Schuldner nicht entgegenhalten, zu dem er in keinem unmittelbaren Vertragsverhältnis steht. Die bloße erweiterte Schutzwirkung führt nicht dazu, dass der Dritte mehr ex contractu fordern kann als die unmittelbare Vertragspartei.

 

Hinzu kommt, dass die Haftung aufgrund von Schutzwirkungen zugunsten Dritter lediglich subsidiär eingreift. Ein schutzwürdiges Interesse des Dritten ist überhaupt zu verneinen, wenn dieser kraft eigener rechtlicher Sonderverbindung mit seinem Vertragspartner, der seinerseits den den Schaden herbeiführenden Hauptleistungspflichtigen aus dem Vertrag als Erfüllungsgehilfen beigezogen hat, einen deckungsgleichen Anspruch auf Schadenersatz hat. Dies trifft hier auf die vom Kläger de facto zum Generalunternehmer für die Bodensanierung bestellte GmbH & Co KG zu, die ihm aus dieser unmittelbaren Vertragsbeziehung für die von ihren Erfüllungsgehilfen an seinem Eigentum verursachten Schäden haftet. In diesem Innenverhältnis kommt dem Kläger als Vertragspartei auch seine allfällige Stellung als Verbraucher nach § 1 KSchG zugute. Den Umstand, dass der Kläger sich der GmbH & Co KG aus sachfremden (steuerschonenden) Motiven bedient hat, kann der Beklagten nicht entgegengehalten werden.

 

Die Privatautonomie gestattet es den Vertragspartnern, in den durch § 879 ABGB gezogenen Grenzen die im Gesetz geregelten Haftungsbestimmungen vertraglich zu erweitern oder einzuschränken. Vereinbarungen über den Ausschluss oder die Beschränkung der Haftung sind insoweit wirksam, als ihr Abschluss oder doch ihre Anwendung im Einzelfall nicht gegen die guten Sitten verstößt.

 

Absichtliche Schadenszufügung kann hiedurch niemals gedeckt werden, auch Ansprüche, an welche die Parteien überhaupt nicht denken konnten, fallen nicht unter derartige Vereinbarungen. Hingegen ist bei leichter Fahrlässigkeit ein Haftungsausschluss grundsätzlich wirksam, sofern dadurch nicht auf den Ersatz gänzlich unvorhersehbarer oder atypischer Schäden verzichtet wird, mit denen nicht gerechnet werden konnte. Darauf, ob die Parteien tatsächlich an einen solchen Schadenseintritt gedacht haben, kommt es nicht an.

 

Bei dem im vorliegenden Verfahren zu beurteilenden Schaden an der Substanz des klägerischen Hauses handelt es sich nach den Feststellungen keineswegs um einen atypischen oder völlig unvorhersehbaren. Die Parteien haben vielmehr mit weiteren Gebäudesetzungen während der Ausführung der Betoninjektionen durchaus gerechnet, die Beklagte hat aber deren letztlich eingetretenes Ausmaß unterschätzt.

 

Hinzu kommt, dass es sich bei der strittigen Klausel nicht um eine individuell vereinbarte Bedingung handelt, sondern um eine im Baugewerbe gebräuchliche, standardisierte ÖNorm. Diese Normen stellen eine Zusammenfassung üblicher Sorgfaltsansforderungen an einen Werkvertrag dar und spiegeln den Stand der für die betroffenen Kreise geltenden Regeln (insbesondere der Technik) wider. Sofern sie ausdrücklich vereinbart wurden, werden auch die in ÖNormen für die Baupraxis enthaltenen, vom Gesetz abweichenden Schadenersatzregeln und Gefahrtragungsregeln zum Vertragsinhalt.

 

Der Kläger kann sich daher nicht auf eine Unwirksamkeit der strittigen Haftungsbegrenzung aufgrund von Sittenwidrigkeit stützen. Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass der Beklagten keine grobe Fahrlässigkeit anzulasten war, wird vom Revisionswerber nicht mehr bekämpft.