27.11.2017 Verfahrensrecht

OGH: Unzumutbarkeit des weiteren Zusammenlebens nach § 382b EO

Das vom Antragsgegner zu verantwortende Überwachen und Ausspionieren der Telefonkontakte der Antragstellerin und seine „Beweismittelbeschaffungen“ für die anhängigen Gerichtsverfahren stellen schwerwiegende Vertrauensbrüche und unerträgliche Eingriffe in die Privatsphäre eines Ehegatten dar, die auch im Rahmen eines anhängigen Scheidungsverfahrens keinesfalls zu tolerieren sind; das Erstgericht hat als bescheinigt angenommen, dass (auch) die widerrechtlich und gegen ihr Wissen erlangten Beweismittel, die intime Details preisgeben, die Antragstellerin belasten; sie fühlt sich – angesichts des Verhaltens des Antragsgegners durchaus nachvollziehbar – in der Ehewohnung ständig beobachtet, lebt in der Angst, dass jedes Wort vom Antragsgegner aufgezeichnet wird und getraut sich daher nur mehr eingeschränkt, zu telefonieren und Nachrichten zu versenden; sie leidet auch unter bestimmten vegetativen Beschwerden, für die das beschriebene Verhalten des Antragsgegners offenbar zumindest Mitursache ist; das ist eine Situation, die der Antragstellerin aufgrund des Verhaltens des Antragsgegners das weitere Zusammenleben unzumutbar macht; bei dieser Sachlage ist die Annahme des Rekursgerichts, dass die psychische Gesundheit der Antragstellerin durch das Verhalten des Antragsgegners noch keinen Schaden genommen habe, schlicht nicht nachvollziehbar


Schlagworte: Exekutionsrecht, einstweilige Verfügungen, Schutz vor Gewalt in Wohnungen, Unzumutbarkeit des weiteren Zusammenlebens, Psychoterror, Überwachen, Ausspionieren
Gesetze:

 

§ 382b EO

 

GZ 7 Ob 151/17g, 18.10.2017

 

OGH: Nach § 382b Abs 1 EO hat das Gericht einer Person, die einer anderen Person durch einen körperlichen Angriff, eine Drohung mit einem solchen oder ein die psychische Gesundheit erheblich beeinträchtigendes Verhalten das weitere Zusammenleben unzumutbar macht, auf deren Antrag 1. das Verlassen der Wohnung und deren unmittelbarer Umgebung aufzutragen und 2. die Rückkehr in die Wohnung und deren unmittelbare Umgebung zu verbieten, wenn die Wohnung der Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses des Antragstellers dient.

 

Die Behauptungs- und Bescheinigungslast dafür, dass die Ehewohnung nicht der Befriedigung eines „dringenden“ Wohnbedürfnisses eines Ehegatten dient, trifft den Antragsgegner; er hat den Ausnahmefall der anderweitigen Deckung des Wohnbedürfnisses seines Ehegatten zu bescheinigen. Dass der Antragstellerin eine ausreichende und gleichwertige Unterkunft zur Verfügung steht, hat der Antragsgegner weder konkret behauptet noch bescheinigt. Er beschränkt sich in seiner Revisionsrekursbeantwortung auf bloße Vermutungen dahin, die Antragstellerin könnte sich allenfalls eine andere Wohnung suchen.

 

Die Gründe für die Unzumutbarkeit eines weiteren Zusammenlebens nach § 382b EO sind verschuldensunabhängig. Es kommt auf die Auswirkungen des bescheinigten Verhaltens und nicht auf das Unrechtsbewusstsein oder die Absichten des Antragsgegners an. „Psychoterror“ ist, weil die Zumutbarkeitsfrage entscheidet, nicht nach objektiven, sondern nach subjektiven Kriterien zu beurteilen; von Bedeutung ist daher nicht ein Verhalten, das der Durchschnittsmensch als „Psychoterror“ empfände, sondern die Wirkung eines bestimmten Verhaltens gerade auf die Psyche der Antragstellerin. Hat die Antragstellerin eine erhebliche psychische Beeinträchtigung glaubhaft gemacht, so kann diese Verhaltensweise als Indiz für die Unzumutbarkeit des weiteren Zusammenlebens sprechen. Die subjektive Auslegung des Begriffs „Psychoterror“ kann allerdings nicht so weit gehen, dass jegliches Verhalten, das nicht den normalen Umgangsformen entspricht, aus einer subjektiven Sichtweise heraus die Unzumutbarkeit des Zusammenlebens begründen könnte. Die mit einem Scheidungsverfahren üblicherweise verbundene nervliche Belastung ist daher noch keine erhebliche Beeinträchtigung der psychischen Gesundheit.

 

Das vom Antragsgegner zu verantwortende Überwachen und Ausspionieren der Telefonkontakte der Antragstellerin und seine „Beweismittelbeschaffungen“ für die anhängigen Gerichtsverfahren stellen schwerwiegende Vertrauensbrüche und unerträgliche Eingriffe in die Privatsphäre eines Ehegatten dar, die auch im Rahmen eines anhängigen Scheidungsverfahrens keinesfalls zu tolerieren sind. Das Erstgericht hat als bescheinigt angenommen, dass (auch) die widerrechtlich und gegen ihr Wissen erlangten Beweismittel, die intime Details preisgeben, die Antragstellerin belasten. Sie fühlt sich – angesichts des Verhaltens des Antragsgegners durchaus nachvollziehbar – in der Ehewohnung ständig beobachtet, lebt in der Angst, dass jedes Wort vom Antragsgegner aufgezeichnet wird und getraut sich daher nur mehr eingeschränkt, zu telefonieren und Nachrichten zu versenden. Sie leidet auch unter bestimmten vegetativen Beschwerden, für die das beschriebene Verhalten des Antragsgegners offenbar zumindest Mitursache ist. Das ist eine Situation, die der Antragstellerin aufgrund des Verhaltens des Antragsgegners das weitere Zusammenleben unzumutbar macht. Bei dieser Sachlage ist die Annahme des Rekursgerichts, dass die psychische Gesundheit der Antragstellerin durch das Verhalten des Antragsgegners noch keinen Schaden genommen habe, schlicht nicht nachvollziehbar.

 

Es trifft zwar zu, dass die Parteien außerhalb der Ehewohnung bei einzelnen (bloß stundenweisen) Kontakten mit ihren Kindern teilweise im Beisein von Freunden eine Begegnung ohne offene Konflikte absolvieren konnten. Dies ändert allerdings nichts daran, dass das Verhältnis der Parteien zueinander und auch iZm ihren Kindern schwer belastet ist und es lässt auch das Verhalten des Antragsgegners in keinem milderen Licht erscheinen.

 

Dass das Erstgericht „aktuell“ keine weiteren Abhöraktionen des Antragsgegners erwartet, ist bloß eine Momenteinschätzung, die angesichts der anhängigen Gerichtsverfahren keine zuverlässige Einschätzung dahin zulässt, dass der Antragsgegner künftig nicht doch wieder einen Bedarf nach dieser Art von Beweismittelbeschaffung erkennt. Diese Einschätzung des Erstgerichts ändert daher am Sicherungsbedürfnis der Antragstellerin nichts.