26.11.2017 Fremdenrecht

VwGH: Schubhaftbeschwerde iZm behaupteter Kooperationsbereitschaft des Fremden

In Anbetracht des Vorbringens, dass sich der Fremde aktiv an die österreichischen Behörden gewendet und nie zu verstecken versucht hatte, durfte das BVwG nicht vom Vorliegen eines geklärten Sachverhalts ausgehen, der gem § 21 Abs 7 BFA-VG das Unterbleiben der in der Schubhaftbeschwerde ausdrücklich beantragten Beschwerdeverhandlung rechtfertigte; auf dessen Basis und angesichts der geäußerten Ausreisebereitschaft nach Italien (iVm dem in Bezug auf den Asylbescheid abgegebenem Rechtsmittelverzicht) wäre es nämlich - ungeachtet des Vorliegens von Tatbeständen nach § 76 Abs 3 FPG, die abstrakt Fluchtgefahr begründen - erforderlich gewesen, sich ein persönliches Bild vom Fremden zu verschaffen, um auch auf dieser Grundlage die in der Schubhaftbeschwerde behauptete Kooperationsbereitschaft des Fremden beurteilen zu können; es liegt daher eine Verletzung der Verhandlungspflicht vor; ist die Schubhaft nur darauf zurückzuführen, dass die Überstellung des Fremden nach Italien ausschließlich in Folge eines Behördenfehlers scheiterte, so ist dies vom BVwG zu beachten, zumal der Fremde "so schnell als möglich" nach Italien auszureisen beabsichtigte; überdies verzichtete der Fremde auf eine Beschwerde gegen den Asylbescheid; aus diesen Gründen erweist sich die dann neuerlich verhängte Schubhaft als unverhältnismäßig


Schlagworte: Schubhaftbeschwerde, unterlassene mündliche Verhandlung, Kooperationsbereitschaft
Gesetze:

 

§ 76 FPG, § 21 BFA-VG

 

GZ Ra 2017/21/0146, 31.08.2017

 

VwGH: Das BVwG ist zunächst über das Vorbringen des Revisionswerbers hinweggegangen, er habe sich nach seiner neuerlichen Einreise nach Österreich in die Erstaufnahmestelle Ost begeben, um dort den wiederholten Antrag auf internationalen Schutz zu stellen; er habe sich aktiv an die österreichischen Behörden gewendet und seit seiner Wiedereinreise zu keinem Zeitpunkt versucht, sich "vor den Behörden zu verstecken".

 

In Anbetracht dieses Vorbringens hätte - entgegen der Ansicht des BVwG - nicht vom Vorliegen eines geklärten Sachverhalts ausgegangen werden dürfen, der gem § 21 Abs 7 BFA-VG das Unterbleiben der in der Schubhaftbeschwerde ausdrücklich beantragten Beschwerdeverhandlung rechtfertigte. Auf dessen Basis und angesichts der geäußerten Ausreisebereitschaft nach Italien (iVm dem in Bezug auf den Asylbescheid vom 1. Juni 2017 abgegebenem Rechtsmittelverzicht) wäre es nämlich - ungeachtet des Vorliegens von Tatbeständen nach § 76 Abs 3 FPG, die abstrakt Fluchtgefahr begründen - erforderlich gewesen, sich ein persönliches Bild vom Revisionswerber zu verschaffen, um auch auf dieser Grundlage die in der Schubhaftbeschwerde behauptete Kooperationsbereitschaft des Revisionswerbers beurteilen zu können.

 

Dem BVwG ist daher zunächst eine Verletzung der ihm obliegenden Verhandlungspflicht anzulasten. Es hat aber auch nicht ausreichend beachtet, dass die gegenständliche Schubhaft letztlich nur darauf zurückzuführen ist, dass die zunächst für den 15. Juni 2017 projektierte Überstellung des Revisionswerbers nach Italien ausschließlich in Folge eines Behördenfehlers scheiterte. Jedenfalls vor dem Hintergrund der vom BVwG nicht in Zweifel gezogenen Absicht des Revisionswerbers, er wolle "so schnell als möglich" nach Italien, was er mit dem Verzicht auf eine Beschwerde gegen den Asylbescheid vom 1. Juni 2017 verband, erweist sich die dann neuerlich verhängte Schubhaft damit als unverhältnismäßig. Sohin war das bekämpfte Erkenntnis - im Umfang seiner Anfechtung - gem § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen der prävalierenden Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.