OGH: § 34a UbG iZm (bloßer) Anwesenheit männlicher Securitymitarbeiter im Fall eines Kleiderwechsels einer zu betreuenden Patientin
Auch ein solcher Kleidertausch ist jedenfalls schon deshalb ein die Menschenwürde verletzender Vorgang und daher unzulässig, wenn er in Anwesenheit von dritten, nicht zum Pflegepersonal gehörenden Personen (Securitymitarbeitern) vorgenommen wird, die nicht dem Geschlecht der kranken Person angehören; für die Annahme einer Nothilfesituation bietet der Sachverhalt keine Grundlage
§ 34a UbG, § 1 UbG, Art 1 PersFrG, § 3 UbG, § 102 StVG, § 101 StVG
GZ 7 Ob 136/17a, 21.09.2017
OGH: Nach § 34a UbG sind Beschränkungen sonstiger Rechte des Kranken während der Unterbringung, insbesondere Beschränkungen der Rechte auf Tragen von Privatkleidung, Gebrauch persönlicher Gegenstände und Ausgang ins Freie, soweit nicht besondere Vorschriften bestehen, nur insoweit zulässig, als sie zur Abwehr einer Gefahr iSd § 3 Z 1 UbG oder zum Schutz der Rechte anderer Personen in der psychiatrischen Abteilung unerlässlich sind und zu ihrem Zweck nicht außer Verhältnis stehen. Auf Verlangen des Kranken oder seines Vertreters hat das Gericht unverzüglich über die Zulässigkeit einer solchen Beschränkung zu entscheiden. Ein solcher Überprüfungsantrag ist Gegenstand dieses Verfahrens.
Klarzustellen ist, dass im Revisionsrekurs des Vereins die bei der Kranken vorgenommene Abnahme der Privatkleidung nicht mehr generell für unzulässig erachtet, sondern nur mehr unter dem Aspekt aufgegriffen wird, dass diese in Anwesenheit von zwei männlichen Securitymitarbeitern erfolgte. Damit wird die Prüfungsbefugnis des Gerichts nach § 34a UbG zutreffend so verstanden, dass diese nicht nur die Überprüfung der Zulässigkeit des Rechtseingriffs als solche, sondern auch der Umstände umfasst, unter denen dieser stattfindet. Die Entscheidung hat sich damit aber auf die Frage zu beschränken, ob bei der Kleiderabnahme die Anwesenheit männlicher Securitymitarbeiter zulässig war.
Art 1 Abs 4 PersFrG nennt ausdrücklich das Recht auf „Achtung der Menschenwürde“. Nach § 1 Abs 1 UbG sind die Persönlichkeitsrechte psychisch Kranker, die in eine Krankenanstalt aufgenommen werden, besonders zu schützen. Die Menschenwürde psychisch Kranker ist unter allen Umständen zu achten und zu wahren. Teil der Menschenwürde ist die – auch von Art 8 EMRK erfasste – Intimsphäre einer Person.
So enthält etwa auch das StVG Regeln über die „Sicherung der Ordnung in der Anstalt“. Dabei sieht § 102 Abs 2 Satz 4 StVG vor, dass Durchsuchungen möglichst schonend, Personsdurchsuchungen von Bediensteten des Geschlechts des Strafgefangenen durchzuführen sind. Dies gilt nach § 101 Abs 4 und 5 StVG auch für den Fall der Durchsuchung von Personen, die nicht in der Anstalt beschäftigt sind. Nach § 102 Abs 2 Satz 6 StVG ist die mit einer Entblößung verbundene körperliche Durchsuchung in Anwesenheit zweier Bediensteter des Geschlechts des Strafgefangenen und in Abwesenheit von Mitgefangenen und Personen des anderen Geschlechts durchzuführen. Es ist anerkannt, dass die Regeln über die Ordnung in der Anstalt dem Verhältnismäßigkeitsgebot entsprechen müssen.
Die aus den zuvor genannten Regelungen ableitbaren Anforderungen müssen auch hier gelten, ist doch der erzwungene, mit einer Entblößung verbundene Kleidertausch unter dem Gesichtspunkt des damit verbundenen Eingriffs in die Intimsphäre der betroffenen Personen einer Durchsuchung iSd § 102 Abs 2 StVG nicht unähnlich. Auch ein solcher Kleidertausch ist daher jedenfalls schon deshalb ein die Menschenwürde verletzender Vorgang und daher unzulässig, wenn er in Anwesenheit von dritten, nicht zum Pflegepersonal gehörenden Personen (Securitymitarbeitern) vorgenommen wird, die nicht dem Geschlecht der kranken Person angehören. Für die Annahme einer Nothilfesituation bietet der Sachverhalt keine Grundlage. Der Revisionsrekurs erweist sich daher als berechtigt und muss zur Unzulässigerklärung der Maßnahme führen, worauf in Stattgebung des Revisionsrekurses zu erkennen war.