02.10.2017 Zivilrecht

OGH: Amtshaftung iZm Unterlassung einer Entscheidung binnen der Frist des § 73 AVG?

Auch wenn zutrifft, dass die in § 73 AVG vorgesehene Frist von sechs Monaten eine Höchstfrist ist und schon in der Verzögerung der ehestmöglich zu treffenden Entscheidung ohne triftige Gründe innerhalb dieser Frist Verschulden und damit amtshaftungsbegründendes Unterlassen des Organs gelegen sein kann, ist die Frage, ob im konkreten Fall die (objektive) Säumigkeit auf triftigen Gründen beruhte oder nicht, eine solche des Einzelfalls, die im Regelfall keine erhebliche Rechtsfrage darstellt


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Amtshaftung, Behörde, Entscheidungspflicht, Unterlassung einer Entscheidung binnen Frist
Gesetze:

 

§ 1 AHG, §§ 1295 ff ABGB, § 73 AVG

 

GZ 1 Ob 125/17i, 30.08.2017

 

OGH: Amtshaftungsansprüche setzen ein rechtswidriges und schuldhaftes Organverhalten voraus (§ 1 Abs 1 AHG). Für die Beurteilung des Vorliegens dieser Voraussetzungen kommt es im Amtshaftungsverfahren nicht – wie in einem Rechtsmittelverfahren – darauf an, ob die in Betracht kommende Entscheidung oder das zu beurteilende Organverhalten richtig war, sondern ob die Entscheidung bzw das Verhalten auf einer bei pflichtgemäßer Überlegung vertretbaren Gesetzesauslegung oder Rechtsanwendung beruhte; dies gilt auch für das Verhalten, mit der Fällung einer Entscheidung noch zuzuwarten, also für die Unterlassung einer Entscheidung.

 

Auch wenn zutrifft, dass die in § 73 AVG vorgesehene Frist von sechs Monaten eine Höchstfrist ist und schon in der Verzögerung der ehestmöglich zu treffenden Entscheidung ohne triftige Gründe innerhalb dieser Frist Verschulden und damit amtshaftungsbegründendes Unterlassen des Organs gelegen sein kann, ist die Frage, ob im konkreten Fall die (objektive) Säumigkeit auf triftigen Gründen beruhte oder nicht, eine solche des Einzelfalls, die im Regelfall keine erhebliche Rechtsfrage darstellt (vgl zur Frage, was als unnötiger Aufschub zu beurteilen ist: VwGH 85/07/0109 unter Hinweis auf 2313/63). Bei der zur Beurteilung der Vertretbarkeit des Zuwartens notwendigen Auslegung von nicht in die Kompetenz der ordentlichen Gerichte fallenden Rechtsmaterien – hier dem Oö Krankenanstaltengesetz 1997 – kommt dem OGH keine Leitfunktion zu.

 

Die Vorinstanzen lehnten den von der Klägerin begehrten Anspruch auf Ersatz nach dem AHG wegen der Unterlassung einer Entscheidung binnen der Frist des § 73 Abs 1 AVG übereinstimmend ab. Ganz grundsätzlich hob das Berufungsgericht hervor, es ergebe sich, wenn der VwGH mit Aufforderung vom 22. 7. 2013 im Säumnisbeschwerdeverfahren nach Art 132 B-VG (in der damals anzuwendenden Fassung BGBl 1988/685) gem § 36 Abs 2 VwGG (in der damals anzuwendenden Fassung BGBl I 2013/33) aufzutragen gehabt habe, entweder innerhalb einer Frist von bis zu drei Monaten den Bescheid zu erlassen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliege, schon aus dem Gesetz selbst, dass nicht jede Überschreitung der Entscheidungsfrist des § 73 AVG rechtswidrig, unvertretbar und daher amtshaftungsbegründend sein müsse.

 

Nach damaliger Gesetzeslage konnte diese vom Berufungsgericht genannte Frist von drei Monaten (nur) einmal und zwar dann verlängert werden, wenn die belangte Behörde das Vorliegen von in der Sache gelegenen Gründen nachzuweisen vermochte, die eine fristgerechte Erlassung des Bescheides unmöglich machten (§ 36 Abs 2 VwGG aF).

 

Das beklagte Land hatte vorgebracht, dass eine Abstimmung hinsichtlich der Standortfrage zwischen den Ländern und der Sozialversicherung abzuwarten gewesen sei, weil diese Planungen im Rahmen des österreichischen Strukturplans Gesundheit (ÖSG) die verbindliche Grundlage bildeten. Es hatte außerdem (insoweit unstrittig) dargelegt, dass die Behörde gem § 36 Abs 2 VwGG einen Antrag an den VwGH auf Fristerstreckung gestellt habe, woraufhin (ebenfalls unstrittig) dieser mit Beschluss vom 14. 10. 2013 die Frist zur Erlassung des nach der Frist des § 73 Abs 1 AVG von sechs Monaten versäumten Bescheids gem § 36 Abs 2 VwGG bis 30. 7. 2014 mit der Begründung, die Behörde habe in der Sache gelegene Gründe dargelegt, die eine fristgerechte Erlassung des Bescheids unmöglich gemacht und eine Verlängerung der gesetzten Frist nach der zitierten Gesetzesstelle gerechtfertigt hätten, verlängert habe.

 

Wenn die Vorinstanzen das Zuwarten auf diese bei Fristende noch immer nicht vorhandene Entscheidungsgrundlage als vertretbar ansahen und ausführten, es sei die Entscheidungskompetenz nach diesem Zeitpunkt auf die Verwaltungsgerichtsbarkeit übergegangen, dieser werde aber von der Klägerin ausdrücklich (und auch noch in der Berufung) kein amtshaftungsbegründendes Organhandeln vorgeworfen, vermag die Revisionswerberin, mit ihrer Darstellung, es dürfe die Behörde von den Ergebnissen der Planungen des Österreichischen Strukturplanes Gesundheit nicht abweichen, es seien aber allfällige Ergebnisse nach dem Gesetzeswortlaut des § 5 Abs 5 Oö KAG 1997 (in der damals anzuwendenden Fassung LGBl 2011/70) bloß zu berücksichtigen, also darauf Bedacht zu nehmen, nicht aber abzuwarten, in ihrem Rechtsmittel keine im Einzelfall aufzugreifende Fehlerhaftigkeit der Entscheidungen über die Vertretbarkeit des Verhaltens aufzuzeigen, insbesondere wenn Rsp des VwGH zur Frage der Notwendigkeit des Vorliegens solcher Entscheidungsgrundlagen und zur Vorgehensweise im Vorabfeststellungsverfahren bei mehreren Projektwerbern fehlte. Auch die Revisionswerberin führte in ihrem Rechtsmittel nur eine einzige Entscheidung (VwGH 25. 7. 2007, 2005/11/0150) an, und zwar allein zum Beleg dafür, dass auch bei Übereinstimmung des Projekts mit der Krankenanstaltenplanung (damals: mit dem Großgeräteplan) nicht auf eine Bedarfsprüfung verzichtet werden dürfe. Sie vermochte aber nicht eine Entscheidung zu den hier maßgeblichen Bestimmungen (oder auch nur zu vergleichbaren Regelungen anderer Bundesländer) aufzuzeigen. Das zu § 10a Abs 1 SKAG (betreffend bettenführender Krankenanstalten) – und damit zu einer nicht für das hier betroffene Bundesland geltenden Regelung –ergangene Erkenntnis des VwGH, Ro 2014/11/0056, datiert vom 11. 10. 2016, also zeitlich (weit) nach dem von der Klägerin als pflichtgemäß herangezogenen Stichtag.

 

Schon die Beurteilung des Zuwartens mit der Entscheidung als vertretbar trägt die Abweisung des Klagebegehrens.