26.09.2017 Zivilrecht

OGH: Pflichten des Eisenbahnunternehmens iSd § 19 EisbG und zur Frage, ob das Aufstellen von auf das Verbot der Gleisquerung hinweisenden Tafeln eine ausreichende Sicherungsmaßnahme darstellt

Eine Verpflichtung zur Errichtung mechanischer Hindernisse, die ein Betreten der Gleisanlagen durch Unbefugte (§§ 46 ff EisbG) unterbinden, wird gesetzlich nicht vorgeschrieben; auch bei der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht richtet sich das Maß der Zumutbarkeit geeigneter Vorkehrungen gegen einen Schadenseintritt nach den Umständen des Einzelfalls; die von den Vorinstanzen getroffene Wertung, dass die Errichtung eines Zaunes seitens der Beklagten in der konkreten Situation angesichts der bestehenden Verbots- und Hinweistafeln nicht notwendig war, ist insoweit vertretbar


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Pflichten des Eisenbahnunternehmens, Verbot der Gleisquerung, ausreichende Sicherungsmaßnahme, allgemeine Verkehrssicherungspflicht
Gesetze:

 

§§ 1295 ff ABGB, § 19 EisbG, § 1311 ABGB

 

GZ 2 Ob 243/16y, 17.08.2017

 

OGH: Nach § 19 Abs 1 EisbG ist ein zum Bau und zum Betrieb von Eisenbahnen berechtigtes Eisenbahnunternehmen verpflichtet, die Eisenbahn einschließlich der zugehörigen Eisenbahnanlagen, Betriebsmittel und des sonstigen Zugehörs unter Berücksichtigung der Sicherheit, der Ordnung und der Erfordernisse des Betriebs der Eisenbahn und des Verkehrs auf der Eisenbahn zu bauen, zu erhalten, zu ergänzen und nach Maßgabe der Rechtsvorschriften und entsprechend der nach diesem Bundesgesetz erforderlichen Konzessionen, Genehmigungen und Bewilligungen zu betreiben, und hat diesbezüglich die notwendigen Vorkehrungen zu treffen.

 

Die übrigen vom Rechtsmittelwerber als Schutzgesetze angesehenen Bestimmungen sehen – soweit sie sich nicht ohnehin an Bahnbenützende bzw Arbeitnehmer und nicht an die Beklagte richten (vgl § 47 ff EisbG, § 1 EisbSV etc) – in ebenso genereller Form allgemeine Pflichten der Arbeitgeber für die Sicherheit und Gesundheit ihrer Arbeitnehmer zu sorgen (vgl § 3 Abs 1 ASchG) vor.

 

Selbst wenn man mit der Revision die Beachtlichkeit des § 19 Abs 1 EisbG als auch den Kläger umfassende Schutznorm vorauszusetzen hätte (vgl dazu Netzer in Altenburger/N. Raschauer, Umweltrecht Kommentar, § 19 EisbG Rz 2 und Catharin/Gürtlich, Eisenbahngesetz² § 19 Anm 3, wonach die Bestimmung auf den Schutz von Leben, Gesundheit und Eigentum von Bahnbenützenden, Bediensteten und Dritten abzielt), lag es am Kläger zu behaupten und zu beweisen, dass die Beklagte diese Schutznorm objektiv übertreten hat. Das Gelingen dieses Beweises hat im Ergebnis – mit erkennbarer Billigung des Berufungsgerichts – schon das Erstgericht verneint, indem es die Ansicht vertrat, dass die getroffenen Maßnahmen (Hinweis- und Verbotstafeln) verbunden mit der Tatsache, dass es sich bei dem fraglichen Teil des Bahnhofgeländes um einen nichtöffentlichen Bereich handle und das Verbot des Betretens von Bahngleisen allgemein bekannt sei, als ausreichend erachtete, sodass die Errichtung eines Zaunes „keineswegs notwendig“ sei.

 

Die Beurteilung dieser Frage ist typischerweise von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängig und wirft daher keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf, sofern ihr nicht eine krasse Fehleinschätzung der Rechtslage zugrunde liegt. Eine solche ist den Vorinstanzen nicht unterlaufen:

 

Der Kläger beharrt weiterhin darauf, dass insbesondere der Schutznorm des § 19 Abs 1 EisbG nur durch die Errichtung eines Zaunes entsprochen hätte werden können. Dem ist entgegenzuhalten, dass keine der von ihm im Rechtsmittel angeführten Normen eine nähere Regelung enthält, auf welche Weise sie zu erfüllen ist. Sowohl § 30 EisbG als auch die Verwaltungsstrafbestimmung des § 162 Abs 1 EisbG, die ausdrücklich das unbefugte Queren der Gleise unter Strafe stellt, zeigen, dass das Gesetz va eine auf Willensbeugung der zuwiderhandelnden Personen ausgerichtete Reaktion für tauglich erachtet. Dass derartige Kontrollen nicht stattgefunden hätten, wird in der Revision nicht mehr geltend gemacht. Eine Verpflichtung zur Errichtung mechanischer Hindernisse, die ein Betreten der Gleisanlagen durch Unbefugte (§§ 46 ff EisbG) unterbinden, wird dagegen gesetzlich nicht vorgeschrieben.

 

Auch bei der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht richtet sich das Maß der Zumutbarkeit geeigneter Vorkehrungen gegen einen Schadenseintritt nach den Umständen des Einzelfalls. Die von den Vorinstanzen getroffene Wertung, dass die Errichtung eines Zaunes seitens der Beklagten in der konkreten Situation angesichts der bestehenden Verbots- und Hinweistafeln nicht notwendig war, ist auch insoweit vertretbar.