28.08.2017 Verfahrensrecht

VwGH: Bekämpfung von Sachverständigengutachten

Die Behörde hat - im Rahmen ihrer Pflicht zur amtswegigen Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes - ein Gutachten eines Sachverständigen auf seine Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit hin zu prüfen und ist dabei auch gehalten, sich im Rahmen der Begründung des Bescheides mit dem Gutachten auseinander zu setzen und es entsprechend zu würdigen; die Parteien haben die Möglichkeit, Unvollständigkeiten und Unschlüssigkeiten eines Gutachtens im Rahmen des Verfahrens der Behörde aufzuzeigen oder einem Gutachten (etwa durch Beibringung eines eigenen Gutachtens) auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten


Schlagworte: Ermittlungsverfahren, Sachverständige, Gutachten, Bekämpfung
Gesetze:

 

§§ 37 ff AVG, § 52 AVG, § 45 AVG

 

GZ Ra 2017/09/0015, 28.06.2017

 

VwGH: Nach stRsp muss ein Sachverständigengutachten, das von der Behörde - oder dem VwG - ihrer Entscheidung zu Grunde gelegt wird, einen Befund und das Gutachten im engeren Sinn enthalten sowie ausreichend begründet sein. Der Befund besteht in der Angabe der tatsächlichen Grundlagen, auf denen das Gutachten (im engeren Sinn) aufbaut, und der Art, wie sie beschafft wurden. Während somit der Befund die vom Sachverständigen vorgenommenen Tatsachenfeststellungen enthält, bilden die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Fähigkeiten benötigt, das Gutachten im engeren Sinn.

 

Die Behörde hat - im Rahmen ihrer Pflicht zur amtswegigen Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes - ein Gutachten eines Sachverständigen auf seine Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit hin zu prüfen und ist dabei auch gehalten, sich im Rahmen der Begründung des Bescheides mit dem Gutachten auseinander zu setzen und es entsprechend zu würdigen. Die Parteien haben die Möglichkeit, Unvollständigkeiten und Unschlüssigkeiten eines Gutachtens im Rahmen des Verfahrens der Behörde aufzuzeigen oder einem Gutachten (etwa durch Beibringung eines eigenen Gutachtens) auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten.

 

Das BVwG hat sich dem im verwaltungsbehördlichen Verfahren vor dem Bundesdenkmalamt erstatteten Gutachten der Amtssachverständigen nicht angeschlossen, sondern hat ein neuerliches Gutachten durch einen Sachverständigen eingeholt. Es hat sich mit den auf das Gutachten bezogenen Einwänden der Revisionswerber im Verfahren hinreichend befasst, das Gutachten in der mündlichen Verhandlung in Anwesenheit des Sachverständigen mit den Parteien erörtert und auf Basis der Gutachten ausreichende Feststellungen getroffen. Nach stRsp hätten die Revisionswerber dem Sachverständigengutachten auf gleicher fachlicher (somit auf sachverständiger) Ebene entgegentreten müssen. Ein solches Gegengutachten haben die Revisionswerber trotz entsprechender Gelegenheit nicht beigebracht. Es fehlt an der Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels, weil nicht zu ersehen ist, dass das Gericht bei seinem Unterbleiben zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre.