OGH: § 283 UGB und zur Frage, ob sich die Organe einer offenlegungspflichtigen Gesellschaft, die die Einreichung des Jahresabschlusses einem Dritten überlassen, dessen Verschulden als Hilfsperson zurechnen lassen müssen
Die Verhängung einer Zwangsstrafe nach § 283 UGB erfordert jedenfalls Verschulden zumindest in Gestalt leichter Fahrlässigkeit; die Verhängung einer Strafe über Gesellschaft und Geschäftsführer, obwohl diese selbst ein Verschulden nicht trifft, sondern sie (lediglich) für das Verschulden eines berufsmäßigen Parteienvertreters zu bestrafen, der ordnungsgemäß kontrolliert wurde, ist nicht zulässig, weil dies auf eine gesetzlich nicht vorgesehene Erfolgshaftung hinausliefe
§§ 277 ff UGB, § 283 UGB, §§ 146 ff ZPO
GZ 6 Ob 66/17z, 29.05.2017
OGH: Es entspricht stRsp des erkennenden Senats zu § 283 UGB, dass die Organe offenlegungspflichtiger Gesellschaften ihrer Offenlegungsverpflichtung nicht persönlich nachkommen müssen; vielmehr dürfen sie diese auch an Hilfspersonen übertragen. Es ist dann aber ihre Sache, durch zweckentsprechende Organisationsmaßnahmen in ihrem Geschäftsbereich für eine rechtzeitige Erfüllung ihrer Offenlegungsverpflichtungen zu sorgen. Darüber hinaus treffen sie Kontrollpflichten dahin, ob die Einreichung des Jahresabschlusses auch tatsächlich erfolgte, weil Fehler nie gänzlich ausgeschlossen werden können; andernfalls haben sie die Rechtsfolgen des § 283 UGB zu tragen. Die Kontrollpflichten bestehen sowohl gegenüber Mitarbeitern als auch gegenüber berufsmäßigen Parteienvertretern. Die Frage, ob die Organe ihren diesbezüglichen Verpflichtungen nachgekommen sind, insbesondere eingeschaltete Hilfspersonen auch ausreichend kontrolliert haben, lässt sich regelmäßig nur an Hand der konkreten Umstände des Einzelfalls beantworten. Als Kontrollmaßnahmen kommen dabei etwa eine Nachfrage, ob der Jahresabschluss tatsächlich eingereicht wurde, oder eine Einsichtnahme in das Firmenbuch in Betracht.
Diesen Verpflichtungen sind die Geschäftsführer im vorliegenden Fall nachgekommen. Auf der Tatsachenebene ist (auch) das Rekursgericht davon ausgegangen, dass beim beauftragten Notariat nachgefragt wurde und von diesem eine positive Rückmeldung bezüglich der Einbringung des Jahresabschlusses erfolgte. Eine weitergehende Überwachungs- und Kontrollpflicht traf die Geschäftsführer hier schon allein deshalb nicht, weil die Aktenlage keinerlei Hinweise darauf bietet, dass dem beauftragten Notariat in der Vergangenheit bereits einschlägige Fehler oder Versäumnisse unterlaufen wären. Dass die Entscheidung 6 Ob 129/11f bei der Online-Einreichung des Jahresabschlusses als „Mindesterfordernis die Einsichtnahme in ein entsprechendes Übermittlungsprotokoll“ verlangt, ändert daran nichts. Diese Aussage bezog sich lediglich auf die Frage, wie das Organ auf wirksame Weise zu kontrollieren hat, ob seine Übermittlung auch tatsächlich zustande gekommen ist. Dass das Organ bei Beauftragung eines berufsmäßigen Parteienvertreters dessen Bestätigung, den Jahresabschluss eingebracht zu haben, auch noch durch eine Einsichtnahme in dessen Übermittlungsprotokoll verifizieren müsste, lässt sich den genannten Entscheidungen jedoch nicht entnehmen.
Im Wiedereinsetzungsverfahren nach §§ 146 ff ZPO, auf welches sich das Rekursgericht ausdrücklich bezieht, besteht zwar tatsächlich Rsp, wonach die Partei, soweit es den Vertreter und dessen Verschulden betrifft, die Handlungen (und Versäumnisse) ihres Vertreters grundsätzlich gegen sich gelten lassen muss und dessen Verschulden zu vertreten hat; sie hat sich ein Verschulden ihres Vertreters wie eigenes Verschulden anrechnen zu lassen. Dies wird mit § 39 ZPO begründet, wonach sich die Bestimmungen über die Parteien auch auf deren Bevollmächtigte beziehen. Bei Hilfskräften des Vertreters wird regelmäßig darauf abgestellt, ob der Vertreter selbst die Organisation seines Kanzleibetriebs so eingerichtet hat, dass die richtige Vormerkung (etwa) von Terminen und damit die fristgerechte Vornahme von Prozesshandlungen sichergestellt wird. Auf das Zwangsstrafverfahren nach § 283 UGB lassen sich diese Grundsätze aber nicht unmittelbar übertragen:
Bei der Wiedereinsetzung geht es darum, die prozessualen Folgen der Versäumung einer Frist abzuwenden, die gem § 144 ZPO grundsätzlich darin bestehen, dass die Partei von der vorzunehmenden Prozesshandlung ausgeschlossen wird. Diese Präklusion ist keine „Strafe“, sondern eine grundsätzlich verschuldensunabhängige prozessuale Rechtsfolge, die im Interesse einer zügigen Verfahrensführung den Gegner vor einer ungebührlichen Verfahrensverzögerung schützen soll; eine Restituierung ist etwa im Exekutions- oder Grundbuchverfahren generell nicht möglich. Demgegenüber erfordert die Verhängung einer Zwangsstrafe nach § 283 UGB – auch wenn es sich nicht um „echte“ Strafen iSd Art 6 EMRK handelt – jedenfalls Verschulden zumindest in Gestalt leichter Fahrlässigkeit. Die Auffassung des Rekursgerichts hätte aber die Folge, dass über Gesellschaft und Geschäftsführer eine Strafe verhängt wird, obwohl diese selbst ein Verschulden nicht trifft, sondern sie (lediglich) für das Verschulden des Vertreters bestraft würden. Gesellschaft und Geschäftsführer träfe damit letztlich eine gesetzlich nicht vorgesehene Erfolgshaftung.
Damit war aber das Zwangsstrafverfahren einzustellen.