31.07.2017 Verfahrensrecht

OGH: Körperlicher Angriff iSd § 382b EO iZm Psychopharmaka im Kaffee?

Wenn die Vorinstanzen das heimliche Verabreichen eines Psychopharmakums in den für den Antragsgegner vorgesehenen Kaffee als ausreichenden körperlichen Angriff iSd Gesetzes angesehen haben, hält sich dies im Rahmen der Judikatur und kann mit dem Argument, der Vorfall sei „lächerlich“ gewesen, nicht erfolgreich bekämpft werden


Schlagworte: Exekutionsrecht, Familienrecht, Schutz vor Gewalt in Wohnungen, körperlicher Angriff, heimliches Verabreichen eines Psychopharmakums in den Kaffee, Anhörung
Gesetze:

 

§ 382b EO, § 382c EO

 

GZ 7 Ob 104/17w, 14.06.2017

 

OGH: Gem § 382c Abs 1 EO ist von der Anhörung des Antragsgegners vor Erlassung der einstweiligen Verfügung Abstand zu nehmen, wenn eine weitere Gefährdung unmittelbar droht. Da hier überdies die Antragsgegnerin ihrerseits ebenfalls in Zusammenhang mit den Vorfällen vom 7. bzw 8. 3. 2017 einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung gestellt hat und die Vorfälle auch durch polizeiliche Erhebungen, inklusive der Einvernahme der Rechtsmittelwerberin, dokumentiert sind, ist die Abstandnahme von einer Einvernahme im vorliegenden Provisorialverfahren umso mehr vertretbar. Die insoweit behauptete Nichtigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens hat überdies das Rekursgericht bereits verneint.

 

Die Frage, ob ein bestimmtes Verhalten einer Person – verschuldensunabhängig – den an sie gerichteten Auftrag zum Verlassen der Wohnung gemäß § 382b EO rechtfertigt, stellt überdies grundsätzlich keine Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO dar. Ein körperlicher Angriff iSd § 382b EO ist jede gezielte Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit des Antragstellers. So wurde bereits im Rahmen eines Ehescheidungsverfahrens ausgesprochen, dass das Versetzen von Speisen mit (dort unbekannten) Wirksubstanzen einen Eingriff in die körperliche Integrität darstellt, und zwar unabhängig davon, ob es strafrechtlich relevant ist.

 

Dass ein solcher Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des Antragstellers hier vorliegt, bestreitet die Rechtsmittelwerberin nicht. Sie hält den Vorfall aber für unwesentlich und verweist auf die mangelnde Lebensgefährlichkeit des Medikaments.

 

Dass ein körperlicher Angriff aber lebensgefährlich oder auch nur konkret strafbar sein müsste, um zu einer Wegweisung führen zu können, ist keineswegs Anforderung des Gesetzes. Wenn die Vorinstanzen daher das heimliche Verabreichen eines Psychopharmakums in den für den Antragsgegner vorgesehenen Kaffee als ausreichenden körperlichen Angriff iSd Gesetzes angesehen haben, hält sich dies im Rahmen der Judikatur und kann mit dem Argument, der Vorfall sei „lächerlich“ gewesen, nicht erfolgreich bekämpft werden.