VwGH: § 21 BFA-VG – Absehen von der Durchführung der beantragten Verhandlung
Die vom BVwG erkannte Notwendigkeit zur Situation im Herkunftsstaat des Asylwerbers aktuelle Länderberichte einzuholen und die Feststellungen des BFA zu ergänzen, hätte die Durchführung einer mündliche Verhandlung erforderlich gemacht
§ 21 BFA-VG, § 3 AsylG 2005
GZ Ra 2016/19/0290, 26.04.2017
VwGH: Gem § 21 Abs 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage iVm der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Nach der stRsp des VwGH sind zur Beurteilung, ob der Sachverhalt im Sinn dieser Bestimmung "geklärt erscheint" folgende Kriterien beachtlich:
Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das BVwG die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.
Der Revisionswerber hat die Beweiswürdigung des BFA in seiner Beschwerde nicht bloß unsubstantiiert bestritten. Er zitierte eine Quelle (ACCORD-Anfragebeantwortung) zum Nachweis seines Vorbringens, es komme in Somalia zur Unterdrückung und Verfolgung der Mitglieder kleiner Clans durch große Clans. Den beweiswürdigenden Erwägungen des BFA, die Behauptung einer ihn selbst und seine Familie treffenden Verfolgung sei schon deshalb nicht glaubwürdig, weil seine Mutter und seine Geschwister weiterhin in seinem Heimatdorf lebten, hielt er entgegen, dass er dazu gar nicht befragt worden sei und dies auch nicht zutreffe. Er habe zuletzt erfahren, dass seine Mutter von "den Feinden der Familie" entführt worden sei.
Das BVwG erkannte im Übrigen selbst die Notwendigkeit, zur Situation in Somalia aktuelle Länderberichte einzuholen und die Feststellungen des BFA zu ergänzen. Schon allein deshalb hätte das BVwG aber eine mündliche Verhandlung durchführen müssen.