VwGH: Disziplinarverfahren nach dem LDG (iZm Sieg bei einem Duathlon-Wettkampf während Dienstunfähigkeit)
Soweit das VwG vermeint, dass mangels eines Hinweises auf ein schuldhaftes Verhalten im Einleitungsbeschluss mittlerweile Verfolgungsverjährung nach § 72 Abs 1 Z 1 LDG eingetreten sei, ist ihm zu entgegnen, dass auch ein fehlerhafter Einleitungsbeschluss, der aber rechtzeitig ist und dann in der Folge aufgehoben wird, zu einem Ausschluss der Verjährung führt
§§ 69 ff LDG, § 29 LDG, § 87 LDG, § 72 LDG, § 123 BDG
GZ Ra 2017/09/0008, 28.03.2017
VwGH: Gem § 92 Abs 1 LDG hat der Vorsitzende der Disziplinarkommission nach Einlangen der Disziplinaranzeige die Disziplinarkommission zur Entscheidung darüber einzuberufen, ob ein Disziplinarverfahren durchzuführen ist. Notwendige Ermittlungen sind von der landesgesetzlich hiezu berufenen Behörde im Auftrag der Disziplinarkommission durchzuführen. Hat die Disziplinarkommission die Durchführung eines Disziplinarverfahrens beschlossen, so ist - nach Absatz 2 dieser Bestimmung - dieser Einleitungsbeschluss der oder dem Beschuldigten, der Disziplinaranwältin oder dem Disziplinaranwalt und der landesgesetzlich hierfür berufenen Behörde zuzustellen. Im Einleitungsbeschluss sind die Anschuldigungspunkte bestimmt anzuführen und die Zusammensetzung des Senates einschließlich der Ersatzmitglieder bekanntzugeben.
Der VwGH hat (im Erkenntnis vom 17. Februar 2015, Ra 2014/09/0007, zum inhaltsgleichen § 123 Abs 2 BDG) zu den inhaltlichen Erfordernissen eines Einleitungsbeschlusses ausgeführt:
"Der Einleitungsbeschluss nach der Rechtslage der Dienstrechts-Novelle 2011 erfüllt auch die Funktion des bisherigen Verhandlungsbeschlusses. Nunmehr sind unter einem gem § 123 Abs 2 BDG auch die Anschuldigungspunkte bestimmt anzuführen, dh dass im Spruch des Einleitungsbeschlusses auch der vom Beschuldigten gesetzte strafbare Sachverhalt darzustellen ist, wobei alle Umstände anzugeben sind, die zur Bezeichnung der strafbaren Handlung und zur Subsumption unter einen bestimmten gesetzlichen Tatbestand notwendig sind. Insbesondere ist auch klarzustellen, welche Dienstpflichten der Beschuldigte im Einzelnen durch welches Verhalten verletzt haben soll, also welchen gesetzlichen Bestimmungen der angeführte Sachverhalt zu unterstellen sein wird, wobei die endgültige rechtliche Subsumption dem das Disziplinarverfahren beendenden Erkenntnis der Disziplinarkommission - die an die rechtliche Würdigung im Einleitungsbeschluss nicht gebunden ist - vorbehalten bleibt."
Für die Einleitung des Verfahrens reicht es somit aus, wenn im Umfang der Disziplinaranzeige und auf deren Grundlage genügende Verdachtsgründe gegen den Beamten vorliegen, welche die Annahme einer konkreten Dienstpflichtverletzung rechtfertigen. Es muss die Disziplinarbehörde bei Fällung eines Einleitungsbeschlusses noch nicht völlige Klarheit darüber haben, ob der Beamte eine Dienstpflichtverletzung begangen hat; dies ist erst in dem der Einleitung des Verfahrens nachfolgenden Ermittlungsverfahren aufzuklären. Ebenso wenig muss im Einleitungsbeschluss das dem Beamten zur Last gelegte Verhalten bereits abschließend rechtlich gewürdigt werden. In dieser Phase des Verfahrens ist nur zu klären, ob die Voraussetzungen für die Einleitung gegeben sind oder ob allenfalls offenkundige Gründe für eine sofortige Einstellung des Disziplinarverfahrens vorliegen. Seit der Dienstrechts-Novelle 2011 sind im Einleitungsbeschluss auch die Anschuldigungspunkte bestimmt anzuführen.
Im vorliegenden Fall erfüllt der Einleitungsbeschluss der revisionswerbenden Partei vom 14. September 2016 diese Kriterien, zumal in seinem Spruch die Tatumstände hinreichend umschrieben sind und unverwechselbar feststeht, welches Verhalten dem Mitbeteiligten konkret zur Last gelegt wird (Teilnahme an einer näher bezeichneten Sportveranstaltung, obwohl er laut amtsärztlichem Gutachten dienstunfähig war), welcher Dienstpflichtverletzung(en) er dadurch verdächtigt wird (wobei die relevierten Pflichten aus § 29 LDG zitiert werden); ebenso lässt sich diesem mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen, worin der Vorwurf einer schuldhaft begangenen Verhaltensweise gelegen ist (dazu bedarf es nicht des wörtlichen Vorwurfes eines schuldhaften Verhaltens, sondern es muss dieses aus dem Gesamtinhalt hervorgehen). Damit war dem Mitbeteiligten eine sachgerechte Verteidigung möglich und die - an den Inhalt und Umfang der Anschuldigungen gebundene - Disziplinarkommission in der Lage, den in bestimmter Hinsicht erhobenen Vorwürfen nachzugehen.
Gem § 87 Abs 1 LDG ist das Disziplinarverfahren mit Bescheid einzustellen, wenn (Z 1) der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Dienstpflichtverletzung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit ausschließen, (Z 2) die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Dienstpflichtverletzung darstellt, (Z 3) Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen, oder (Z 4) die Schuld des Beschuldigten gering ist, die Tat keine oder unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat und überdies eine Bestrafung nicht geboten ist, um den Beschuldigten von der Verletzung der Dienstpflichten abzuhalten oder der Verletzung von Dienstpflichten durch andere Landeslehrer entgegenzuwirken. Nach Absatz 2 gilt das Disziplinarverfahren als eingestellt, wenn das öffentlichrechtliche Dienstverhältnis des Beschuldigten endet.
Ein Einleitungsbeschluss darf nicht erlassen werden, wenn die in § 87 Abs 1 LDG umschriebenen Gründe zur Einstellung des Disziplinarverfahrens vorliegen.
§ 72 Abs 1 Z 1 leg cit sieht vor, dass ein Landeslehrer wegen einer Dienstpflichtverletzung nicht mehr bestraft werden darf, wenn gegen ihn nicht innerhalb von sechs Monaten, gerechnet von dem Zeitpunkt, zu dem die Dienstpflichtverletzung der zur Durchführung des Disziplinarverfahrens berufenen Behörde zur Kenntnis gelangt ist, eine Disziplinarverfügung erlassen oder ein Disziplinarverfahren eingeleitet wurde.
Wenn das VwG für den Ausschluss eines Verschuldens des Mitbeteiligten und die Einstellung des Verfahrens nach § 87 Abs 1 Z 2 und 3 LDG tragend anführt, dass dem Mitbeteiligten "niemand (insbesondere nicht der Amtsarzt) verboten hat, sich sportlich zu betätigen, sein behandelnder Arzt ihm sogar dazu geraten hat" und "konkret schon nach der allgemeinen Lebenserfahrung davon auszugehen ist, dass Sport der Genesung und Gesundheit depressiver Personen förderlich ist", so stellt dies ohne ausreichende Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen ärztlichen Expertisen und dem Krankheitsbild des Mitbeteiligten, insbesondere den wesentlichen Fragen des Widerspruchs zwischen einer diagnostizierten raschen Erschöpfbarkeit (auch) im physischen Bereich und der erbrachten höhergradigen sportlichen Ausdauerleistung im Krankenstand sowie einer möglichen Schuldhaftigkeit des Mitbeteiligten dahingehend, dass er hätte einsehen müssen, dass die Teilnahme auch ohne ausdrückliches ärztliches Verbot nachteilige Auswirkungen haben könnte, der Gesundheitsverträglichkeit der Teilnahme an der Veranstaltung bzw der behaupteten Heilungsverbesserung und zur Vorwerfbarkeit, auf Grundlage einer erkennbaren Beweiswürdigung keine ausreichende Begründung dar, die eine Überprüfung der rechtlichen Beurteilung durch den VwGH ermöglicht, ob eine Einstellung geboten erschiene. Sollte aus den bisherigen Ergebnissen eine Einstellung nicht abgeleitet werden können und wären weitere (umfangreichere) Erhebungen - bis hin zur Beiziehung eines geeigneten Sachverständigen zur Feststellung der tatsächlichen Gesundheitssituation des Mitbeteiligten - erforderlich, so sollten diese weiteren Verfahrensschritte erst im eingeleiteten Disziplinarverfahren erfolgen.
Soweit im Übrigen das VwG vermeint, dass mangels eines Hinweises auf ein schuldhaftes Verhalten im Einleitungsbeschluss mittlerweile Verfolgungsverjährung nach § 72 Abs 1 Z 1 LDG eingetreten sei, ist ihm zu entgegnen, dass auch ein fehlerhafter Einleitungsbeschluss, der aber (wie hier auch unbestritten) rechtzeitig ist und dann in der Folge aufgehoben wird, zu einem Ausschluss der Verjährung führt.