OGH: Zur Sorgfaltspflicht des Insolvenzverwalters bei Bestreitungen (EKEG)
Die Beurteilung, ob der Kredit, der einer Forderungsanmeldung zugrunde liegt, in einer Krise gewährt worden ist, gehört zu den konkursspezifischen Pflichten des Insolvenzverwalters
§§ 1295 ff ABGB, § 1299 ABGB, § 1304 ABGB, § 109 IO, § 81 IO, EKEG
GZ 1 Ob 235/16i, 24.05.2017
OGH: Ein Kredit, den eine Gesellschafterin oder ein Gesellschafter in der Krise gewährt, ist nach § 1 EKEG eigenkapitalersetzend.
Zwar dürfen die Anforderungen an den Sorgfaltsmaßstab beim Insolvenzverwalter gerade zu Beginn seiner Tätigkeit schon wegen der erforderlichen Einarbeitung nicht überspannt werden, doch es ist nicht nachvollziehbar, warum der Insolvenzverwalter später eine Bestreitung gerade aufgrund einer Information zurückzieht, über die er bereits im Zeitpunkt der Bestreitung verfügte.
Die Beurteilung, ob der Kredit, der einer Forderungsanmeldung zugrunde liegt, in einer Krise gewährt worden ist, gehört zweifellos zu den konkursspezifischen Pflichten des Insolvenzverwalters. Hier ist die Kreditgewährung zu einem Zeitpunkt erfolgt, in dem Anhaltspunkte dafür, die Schuldnerin würde sich in einer Krise iSd § 2 EKEG befinden, fehlten. Dieser Umstand wäre für den Insolvenzverwalter durch Einsicht in den Jahresabschluss erkennbar gewesen. Dass ihm dieser nicht zur Verfügung gestanden wäre oder er Anlass gehabt hätte, an dessen Kennzahlen zu zweifeln, behauptet der Insolvenzverwalter nicht. Bei einer ex-ante-Betrachtung bestand daher für ihn objektiv kein Anlass, einen eigenkapitalersetzenden Kredit anzunehmen.
Der Umstand, dass die den Ersatz eines Quotenschadens fordernde Gesellschafterin die vom Insolvenzverwalter geforderten Nachweise über die Mittelherkunft für den gewährten Kredit nicht sogleich erbrachte, wurde von den Vorinstanzen zutreffend als ein Mitverschulden von 50 % qualifiziert.