VwGH: Feste Geschäftsverteilung – Neuzuteilung
Keine Abnahme iSd Art 135 Abs 3 B-VG liegt vor, wenn eine irrtümliche Zuteilung zu einem für den konkreten Fall nicht zuständigen Einzelrichter oder Senat korrigiert und die Sache dem zuständigen Richter (Senat) zugewiesen wird
Art 135 B-VG, § 17 BvwGG, § 6 BVwG-GV 2014, § 17 GO-BVwG
GZ Ra 2016/19/0221, 26.04.2017
VwGH: Für die Aufteilung der von den Verwaltungsgerichten zu besorgenden Geschäfte "auf die Einzelrichter und Senate" gilt der Grundsatz der festen Geschäftsverteilung (Art 135 Abs 2 B-VG). Die feste Geschäftsverteilung hat für jene Fälle, in denen eine Zuständigkeit der Einzelrichter besteht, genau zu bestimmen, welche Einzelrichter zuständig sind, darüber hinaus aber auch die Vertreter im Fall einer Verhinderung und die Reihenfolge, in der diese eintreten. Art 135 Abs 3 B-VG und § 17 Abs 3 BVwGG sehen vor, dass einem Einzelrichter oder Senat eine ihm zufallende Rechtssache abgenommen werden kann, wenn der Einzelrichter oder Senat verhindert oder wegen des Umfangs seiner Aufgaben an deren Erledigung innerhalb einer angemessenen Frist gehindert ist. § 17 Abs 2 BVwGG ermöglicht zudem eine Neuzuteilung wegen Befangenheit. Die Abnahme von Sachen stellt eine ausnahmsweise Durchbrechung der von der Geschäftsverteilung für einen bestimmten Zeitraum geschaffenen festen Zuständigkeitsstruktur dar, was eine restriktive Auslegung des Art 135 Abs 3 B-VG gebietet. Keine Abnahme iSd Art 135 Abs 3 B-VG liegt hingegen vor, wenn eine irrtümliche Zuteilung zu einem für den konkreten Fall nicht zuständigen Einzelrichter oder Senat korrigiert und die Sache dem zuständigen Richter (Senat) zugewiesen wird.
Da die im vorliegenden Fall erfolgte Neuzuteilung auf keinen der genannten Gründe gestützt werden kann und auch keine andere Vorschrift ersichtlich ist, welche die Neuzuteilung rechtfertigen würde, verstößt sie gegen den Grundsatz der festen Geschäftsverteilung und bewirkt somit eine Unzuständigkeit des VwG.
Daran ändert auch § 6 Abs 2 BVwG-GV 2014 nichts. Dieser sieht zwar vor, dass der Richter oder die Richterin, deren Gerichtsabteilung die Rechtssache zugewiesen worden ist, (von bestimmten Ausnahmefällen abgesehen) zuständig wird, wenn sie einen außenwirksamen Akt setzt oder nicht rechtzeitig eine Unzuständigkeitanzeige erhebt. In der Zusammenschau mit § 17 GO-BVwG ergibt sich jedoch, dass § 6 Abs 2 BVwG-GV 2014 an die Richterinnen und Richter adressiert ist und keine nach außen wirkende und somit den Parteien gegenüber bindende Zuständigkeit begründet. Eine andere Sichtweise verbietet sich aber schon deshalb, weil ansonsten nicht zu sehen ist, in welcher gesetzlichen Vorschrift dies Deckung fände.