03.07.2017 Zivilrecht

OGH: Zum Anspruch Unmündiger bei Verletzung der geschlechtlichen Selbstbestimmung

Die Tatbestandsvoraussetzung der strafbaren Handlung in § 1328 ABGB ist nicht erfüllt, wenn dem Täter der persönliche Strafausschließungsgrund des § 206 Abs 4 StGB zugute kommt


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Verletzung der geschlechtlichen Selbstbestimmung, schwerer sexueller Missbrauch von Unmündigen, 13. Lebensjahr, Altersdifferenz, persönlicher Strafausschließungsgrund, schwere Körperverletzung
Gesetze:

 

§ 1328 ABGB, § 206 StGB, § 84 StGB

 

GZ 7 Ob 11/17v, 26.04.2017

 

OGH: Nach § 1328 ABGB hat, wer jemanden durch eine strafbare Handlung oder sonst durch Hinterlist, Drohung oder Ausnutzung eines Abhängigkeits- oder Autoritätsverhältnisses zur Beiwohnung oder sonst zu geschlechtlichen Handlungen missbraucht, diesem den erlittenen Schaden und den entgangenen Gewinn zu ersetzen sowie eine angemessene Entschädigung für die erlittene Beeinträchtigung zu leisten.

 

Die Auslegung des Tatbestandsmerkmals der strafbaren Handlung richtet sich nach dem StGB. Erfasst sind va die Sexualdelikte, wie insbesondere sexueller Missbrauch von Unmündigen (§ 206f StGB) und Jugendlichen (§ 207b StGB) sowie sexuelle Belästigung und öffentliche geschlechtliche Handlungen. Ob eine solche strafbare Handlung gegeben ist, ist vom Zivilgericht zu beurteilen. Eine strafrechtliche Verurteilung braucht nicht vorzuliegen. Zu den allfälligen zusätzlichen Voraussetzungen der Strafbarkeit gehören auch die objektiven Bedingungen der Strafbarkeit sowie das Fehlen von (persönlichen) Strafausschließungsgründen.

 

Nach § 206 Abs 4 StGB ist der Täter wegen Schwerem sexuellem Missbrauch von Unmündigen nicht zu bestrafen, wenn das Alter des Täters das Alter der unmündigen Person nicht um mehr als 3 Jahre übersteigt, die unmündige Person durch die Tat weder längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzt noch in besonderer Weise erniedrigt wird und die Tat weder eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1), noch den Tod der unmündigen Person zur Folge hat, es sei denn, die unmündige Person hätte das 13. Lebensjahr noch nicht vollendet.

 

Hat der Beklagte zwar in objektiver und subjektiver Hinsicht die Voraussetzungen des § 206 Abs 1 StGB erfüllt, kommt ihm aber der persönliche Strafausschließungsgrund des § 206 Abs 4 StGB zugute, dann liegt keine mit Strafe bedrohte Handlung vor. Da der genannte persönliche Strafausschließungsgrund den Strafanspruch von vornherein nicht entstehen lässt, fehlt die in § 1328 ABGB geforderte Tatbestandsvoraussetzung der strafbaren Handlung.