16.06.2017 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Sexuelle Belästigung iSd § 6 GlBG

Die ausdrückliche oder stillschweigende Zurückweisung oder Ablehnung eines sexuell belästigenden Verhaltens durch die betroffene Person ist keine Tatbestandsvoraussetzung der sexuellen Belästigung iSd § 6 Abs 2 Z 1 GlBG


Schlagworte: Gleichbehandlungsrecht, sexuelle Belästigung
Gesetze:

 

§ 6 GlBG, § 12 GlBG

 

GZ 9 ObA 38/17d, 20.04.2017

 

OGH: Sexuelle Belästigung iSd § 6 Abs 2 Z 1 GlBG liegt vor, wenn ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten gesetzt wird, das die Würde einer Person beeinträchtigt oder dies bezweckt, für die betroffene Person unerwünscht, unangebracht oder anstößig ist und eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schafft oder dies bezweckt. Die Frage, ob ein Verhalten die Kriterien der sexuellen Belästigung nach dieser Bestimmung erfüllt, ist einzelfallbezogen.

 

Der erkennende Senat ist nicht der Ansicht, dass die Intensität der Äußerungen und Bemerkungen des Obmanns des Beklagten objektiv noch gering war. Die Annahme einer allgemeinen Ablehnungspflicht der belästigten Person wird im einschlägigen Schrifttum zutreffend verneint. Dort angestellte abschwächende Überlegungen zu einer wenn auch eingeschränkten „Ablehnungsobliegenheit“ belästigter Personen sind im Ergebnis aber nicht zielführend, – va, wenn man Obliegenheiten als „Rechtspflichten minderer Art“ oder als „Verhaltensregeln“ qualifiziert – werden doch „Ablehnungsobliegenheiten“ von potentiellen Belästigern nur allzu leicht als Rechtfertigung ihrer Aktivitäten missbraucht oder missverstanden. Es ist daher klarstellend festzuhalten, dass die ausdrückliche oder stillschweigende Zurückweisung oder Ablehnung eines sexuell belästigenden Verhaltens durch die betroffene Person keine Tatbestandsvoraussetzung der sexuellen Belästigung iSd § 6 Abs 2 Z 1 GlBG ist. Eine allenfalls erfolgte Ablehnung eines Verhaltens kann natürlich im Einzelfall ein Element des zu beurteilenden Sachverhalts sein, das ebenso wie eine allfällige Zustimmung zu einem Verhalten, je nach Vorbringen der Parteien, bei der Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen zu bewerten ist. Eine weitere Auseinandersetzung mit diesem Thema kann hier aber unterbleiben, weil der Diskriminierungstatbestand der sexuellen Belästigung iSd § 6 Abs 2 Z 1 GlBG auch voraussetzt, dass durch das der sexuellen Sphäre zugehörige Verhalten eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person geschaffen oder dies bezweckt wird.

 

Im konkreten Fall steht fest, dass sich der Obmann gegenüber seinen Mitarbeiterinnen eines lockeren, teils freizügig-scherzhaften Umgangstones mit zum Teil sexuell konnotierten Bemerkungen bediente, auf den die Klägerin auch einstieg und ihn teilweise erwiderte. Zum Teil verfasste sie auch von sich Nachrichten mit sexuellem Bezug an den Obmann (betreffend Pornoseiten), die nach den bindenden Feststellungen nicht von diesem veranlasst waren. Da im konkreten Fall nach der Art der Kommunikation zwischen der Klägerin und dem Obmann des Beklagten nicht zutage liegt, dass sein Verhalten eine für die Klägerin einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt bezweckt oder auch nur geschaffen hätte, ist es hier im Ergebnis noch vertretbar, wenn das Berufungsgericht den Tatbestand des § 6 Abs 2 Z 1 GlBG nicht als erfüllt ansah.