OGH: Sachwalterbestellungsverfahren – Erstanhörung gem § 118 AußStrG und Zuständigkeitsübertragung gem § 111 JN
Nach einer Zuständigkeitsübertragung gem § 111 JN zwischen Erstanhörung und Entscheidung über die Fortsetzung des Sachwalterbestellungsverfahrens muss der nun zuständige Richter sich selbst einen persönlichen Eindruck vom Betroffenen verschaffen, also selbst die Erstanhörung vornehmen
§ 118 AußStrG, § 111 JN
GZ 3 Ob 50/17z, 29.03.2017
OGH: Der Revisionsrekurs des Betroffenen, mit dem er in erster Linie geltend macht, dass durch das Unterbleiben einer Erstanhörung durch die Erstrichterin sein rechtliches Gehör verletzt worden sei, ist wegen einer vom OGH aufzugreifenden Fehlbeurteilung der Vorinstanzen zulässig und berechtigt.
Die Verneinung der Verletzung des rechtlichen Gehörs des Betroffenen durch das Rekursgericht macht die neuerliche Geltendmachung dieses Verfahrensmangels in dritter Instanz nicht unzulässig.
Gem § 118 Abs 1 AußStrG hat sich der Richter einen persönlichen Eindruck vom Betroffenen zu verschaffen. Das Sachwalterschaftsbestellungsverfahren ist von den Grundsätzen der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit beherrscht; es ist wichtig, dass sich der Richter, der die Entscheidung zu treffen hat, ein persönliches Bild vom Betroffenen macht. Die Erstanhörung hat deshalb ausschließlich durch den nach der Geschäftsverteilung für die Entscheidung zuständigen Richter zu erfolgen und nicht etwa durch Rechtspraktikanten, Richteramtsanwärter, Rechtspfleger, Sachverständige oder eine Verwaltungsbehörde. Auch im vorliegenden Fall ist deshalb die Vornahme der (neuerlichen) Erstanhörung durch die nun zuständige Erstrichterin unabdingbar.
Der Auffassung des Rekursgerichts, die von der seinerzeit zuständigen Richterin vorgenommene Erstanhörung sei „durch § 118 Abs 3 AußStrG gedeckt“, ist nicht zu folgen.
Nach dieser Bestimmung darf die Erstanhörung unter bestimmten Voraussetzungen, nämlich (nur) dann, wenn sich das Gericht wegen unverhältnismäßiger Schwierigkeiten oder Kosten keinen persönlichen Eindruck von der betroffenen Person verschaffen kann, im Weg der Rechtshilfe erfolgen.
Wie der Revisionsrekurswerber zutreffend aufzeigt, scheitert eine unmittelbare Anwendung dieser Bestimmung bereits daran, dass die Erstanhörung durch die seinerzeit zuständige Richterin schon begrifflich keinen Akt der Rechtshilfe für die erst später zuständig gewordene Erstrichterin darstellen kann.
Aber auch eine – abstrakt denkbare – analoge Heranziehung dieser Norm scheidet (jedenfalls derzeit) aus, weil keine Rede davon sein kann, dass einer Erstanhörung des Betroffenen durch die Erstrichterin unverhältnismäßige Schwierigkeiten oder Kosten entgegen stünden; hat sie ihn doch bisher noch nicht einmal förmlich (schriftlich) geladen.
Das Erstgericht wird deshalb im fortgesetzten Verfahren eine Erstanhörung des Betroffenen durchzuführen und anschließend neuerlich zu entscheiden haben.