18.05.2017 Zivilrecht

OGH: Anfechtung nach § 870 ABGB

Für die Beurteilung der listigen Irreführung spielt es keine Rolle, ob die Nachteile tatsächlich eingetreten sind, denen sich der irregeführte Vertragspartner mit dem Abschluss des Vertrags ausgesetzt hat; maßgebend ist allein, dass der listig irregeführte Vertragspartner den Vertrag bei Kenntnis des wahren Sachverhalts nicht geschlossen hätte


Schlagworte: Arglist, Anfechtung, Beweislast, Vertragsanpassung, Verjährung
Gesetze:

 

§ 870 ABGB, § 872 ABGB, § 1487 ABGB, § 1478 ABGB

 

GZ 9 Ob 15/17x, 20.04.2017

 

OGH: Listige Irreführung liegt nach der Rsp auch bei Verschweigen bekannter, dem anderen Vertragsteil aber unbekannter Tatsachen vor, wenn der verschweigende Vertragspartner positive Kenntnis davon hat, dass der andere Teil irrt.

 

Zutreffend weist der Revisionswerber darauf hin, dass Vertragsanpassung nach der Rsp nur bei einem unwesentlichen Irrtum (wenn das Geschäft mit anderem Inhalt abgeschlossen worden wäre: RIS-Justiz RS0082957; auch bei Arglist: RS0014768) und nur dann möglich ist, wenn der Gegner im Zeitpunkt des Kontrahierens hypothetisch den Willen gehabt hätte, gegebenenfalls auch zu den Bedingungen, die der andere Teil nunmehr durchzusetzen bestrebt ist, abzuschließen. Es trifft allerdings nicht zu, dass eine Vertragsanpassung voraussetzen würde, dass eine „unwesentliche Arglist vorgelegen“ hätte.

 

Der listig Irregeführte ist nach der Rsp für die Voraussetzungen der §§ 870 und 872 ABGB behauptungs- und beweispflichtig. Es ist aber Sache des Täuschenden, Tatsachen zu behaupten und erforderlichenfalls auch zu beweisen, aus denen sich ein zuverlässiger Schluss dafür ableiten lässt, dass er bei Aufklärung des Irrtums den Vertrag nicht gegen ein angemessenes statt gegen das vereinbarte Entgelt geschlossen hätte. Allgemein ist die Vertragsanpassung nur dann abzulehnen, wenn positiv feststeht, dass der (arglistige) Vertragspartner nicht zu den geänderten Bedingungen abgeschlossen hätte; andernfalls ist darauf abzustellen, mit welchem Inhalt redliche, nicht in einem Irrtum verfangene Parteien den Vertrag abgeschlossen hätten.

 

Im Anlassfall konnte nicht festgestellt werden, dass der Beklagte den Vergleich in der von der Klägerin gewünschten Form (mit einer Verpflichtung zur Veranlassung der Löschung des vom Beklagten verheimlichten Pfandrechts) nicht abgeschlossen hätte. Damit ist dem Beklagten der von ihm zu erbringende Nachweis dafür, dass ein Vertragsabschluss zu den geänderten Bedingungen nicht zustande gekommen wäre, nicht gelungen.

 

Für die Beurteilung der listigen Irreführung spielt es im Übrigen keine Rolle, ob die Nachteile tatsächlich eingetreten sind, denen sich der irregeführte Vertragspartner mit dem Abschluss des Vertrags ausgesetzt hat. Maßgebend ist allein, dass der listig irregeführte Vertragspartner den Vertrag bei Kenntnis des wahren Sachverhalts nicht geschlossen hätte.

 

Eine Anfechtung eines Vertrags wegen List verjährt gem § 1487 iVm § 1478 ABGB erst in 30 Jahren ab Vertragsabschluss.