OGH: Auflösungstatbestand des erheblich nachteiligen Gebrauchs iSd § 1118 ABGB iZm Suchtgiftherstellung in der Wohnung?
Das einmalige Herstellen einer geringen Menge von Suchtgift für den Eigengebrauch und die Überlassung zum persönlichen Gebrauch eines Dritten ist zwar keineswegs zu verharmlosen und führte auch zu einer strafgerichtlichen Verurteilung des Beklagten, ist aber nach der Lage des Falls objektiv (noch) nicht geeignet, anderen Mitbewohnern des Hauses das Zusammenleben zu verleiden
§ 1118 ABGB, § 30 MRG
GZ 9 Ob 17/17s, 20.04.2017
OGH: Das Berufungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass ein erheblich nachteiliger Gebrauch vom Bestandgegenstand iSd § 1118 erster Fall ABGB nicht nur dann vorliegt, wenn durch eine wiederholte, länger währende vertragswidrige Benützung des Bestandobjekts oder durch eine längere Reihe von Unterlassungen notwendiger Vorkehrungen eine erhebliche Verletzung der Substanz des Mietgegenstands erfolgte oder auch nur droht, sondern nach stRsp auch dann gegeben ist, wenn das Verhalten des Mieters geeignet ist, den Ruf oder wichtige wirtschaftliche oder sonstige Interessen des Vermieters oder der Mitmieter zu schädigen oder zu gefährden.
Ein nachteiliger Gebrauch des Bestandgegenstands durch das einmalige Herstellen des Suchtgifts des Beklagten iSe Beschädigung oder Gefahr der Beschädigung der körperlichen Substanz der Wohnung oder des Hauses der Klägerin konnte nicht festgestellt werden. Ebenso war im Verfahren nicht erweislich, dass der Klägerin dadurch finanzielle oder sonstige Nachteile entstanden sind. Worin konkret die von der Klägerin behauptete Rufschädigung der Klägerin durch das Verhalten des Beklagten gelegen sein soll, ist nicht erkennbar und lässt sich dem festgestellten Sachverhalt auch nicht entnehmen.
Auch ein „unleidliches Verhalten“ des Mieters iSd Kündigungsgrundes nach § 30 Abs 2 Z 3 zweiter Fall MRG ist unter den Tatbestand des § 1118 erster Fall ABGB zu subsumieren. Ein unleidliches Verhalten liegt dann vor, wenn das friedliche Zusammenleben durch längere Zeit oder durch häufige Wiederholungen gestört wird. Einmalige Vorfälle bilden den Kündigungsgrund nur dann, wenn sie schwerwiegend sind. Schwerwiegend ist ein Vorfall, wenn er das Maß des Zumutbaren überschreitet und objektiv geeignet erscheint, auch nur einem Mitbewohner das Zusammenleben zu verleiden.
Davon kann aber hier noch nicht ausgegangen werden. Das einmalige Herstellen einer geringen Menge von Suchtgift für den Eigengebrauch und die Überlassung zum persönlichen Gebrauch eines Dritten ist zwar keineswegs zu verharmlosen und führte auch zu einer strafgerichtlichen Verurteilung des Beklagten, ist aber nach der Lage des Falls objektiv (noch) nicht geeignet, anderen Mitbewohnern des Hauses das Zusammenleben zu verleiden. Die Ausführungen der Revisionsbeantwortung, der Beklagte habe andauernd über einen längeren Zeitraum Suchtgift hergestellt und vertrieben, gehen am festgestellten Sachverhalt vorbei. Konkrete Gründe, die übrigen Hausbewohner seien durch das einmalige Fehlverhalten des Beklagten (in der Zukunft) gefährdet, sind nicht ersichtlich. Die subjektive Besorgnis einzelner Hausbewohner gründet auf Vorfälle, die nicht dem Beklagten zugerechnet werden konnten.