OGH: Verletzung bei Betreten der Werkstatt eines im Hinterhof des Hotel gelegenen Schiverleihs – Haftung des Hotelbetreibers gem § 1313a ABGB?
Da ein Schiverleih/Schiservice nicht zum Pflichtenprogramm der erstbeklagten Hotelbetreiberin gehörte und der Zweitbeklagte seine Leistungen jedermann anbot, konnten Gäste der Erstbeklagten nicht erwarten, dass die Erstbeklagte durch ihre Mitarbeiter selbst den zur Überwindung des Niveauunterschieds zur Plattform vor der Werkstätte, die nicht im räumlichen Verbund mit dem Schiverleih stand, notwendigen Behelf aufstellt, sondern war für sie zu erwarten, dass der Schiverleih- und Werkstätteninhaber diese Tätigkeit erbringt; die Erstbeklagte hatte daher diesen Bereich des unmittelbaren Zugangs zum Betrieb des Zweitbeklagten nicht zu sichern
§ 1313a ABGB, §§ 1295 ff ABGB
GZ 6 Ob 94/16s, 27.02.2017
Nach Auffassung des Revisionswerbers haftet die Erstbeklagte (Hotelbetreiber) für die Sorgfaltswidrigkeit des Zweitbeklagten nach § 1313a ABGB, weil sie zwar dem Kläger gegenüber nicht zur Erbringung eines Schiservice, wohl aber verpflichtet gewesen sei, „ein Schiservice am Hotelgelände anbieten zu können“. Die Erstbeklagte hafte, weil sie aufgrund des Gastaufnahmevertrags dafür hätten sorgen müssen, dass die Gäste das Hotelgelände, wozu auch der Zugangsbereich zur Werkstätte zähle, gefahrlos benützen können. Durch die Duldung der Umleitung der Gäste in die Werkstätte bzw durch die mangelnde Sicherung bzw Duldung der ungesicherten Holztritthilfe und/oder Nichtuntersagung des Zutritts zur Werkstatt durch ein entsprechendes Hinweisschild habe die Erstbeklagte Schutz- und Sorgfaltspflichten gegenüber dem Kläger verletzt.
OGH: Für eine Zurechnung nach § 1313a ABGB ist entscheidend, welche konkreten Leistungspflichten bzw Schutz- und Sorgfaltspflichten die Erstbeklagte gegenüber dem Kläger übernommen hat. Im Einzelfall hängt die Frage, wozu der Schuldner tatsächlich verpflichtet ist, vom konkreten Vertrag und von der durch Vertragsauslegung zu bestimmenden konkreten Pflichtenlage ab.
a) Die Möglichkeit der Inanspruchnahme eines Schiservice am Hotelgelände war gegeben, sodass die Erstbeklagte gegenüber dem Kläger insoweit keine Pflicht verletzt hat.
b) Die Auslegung des Beherbergungsvertrags führt entgegen der Ansicht des Revisionswerbers nicht zu einer Pflicht der Erstbeklagten, den Eingangsbereich zur Werkstätte des Zweitbeklagten zu sichern. Zur Konkretisierung der Pflichtenlage hinsichtlich der Schutz- und Sorgfaltspflichten ist hierbei darauf abzustellen, ob der Gläubiger erwarten konnte, dass der Schuldner die fragliche Tätigkeit selbst (oder durch Mitarbeiter) vornimmt oder ob eine Erbringung durch selbständige Dritte zu erwarten ist.
Da ein Schiverleih/Schiservice – wie vom Revisionswerber selbst eingeräumt – nicht zum Pflichtenprogramm der Erstbeklagten gehörte und der Zweitbeklagte seine Leistungen jedermann anbot, konnten Gäste der Erstbeklagten nicht erwarten, dass die Erstbeklagte durch ihre Mitarbeiter selbst den zur Überwindung des Niveauunterschieds zur Plattform vor der Werkstätte, die nicht im räumlichen Verbund mit dem Schiverleih stand, notwendigen Behelf aufstellt, sondern war für sie zu erwarten, dass der Schiverleih- und Werkstätteninhaber diese Tätigkeit erbringt. Die Erstbeklagte hatte daher diesen Bereich des unmittelbaren Zugangs zum Betrieb des Zweitbeklagten nicht zu sichern.
Mangels dieser Pflicht besteht auch keine Haftung der Erstbeklagten aus eigenem Verschulden.